Mich irritiert seit Jahren die im Internet kursierende 2V-Boxer-Animation
bei der die Kolben im Gleichtakt nach rechts oder links sausen.
Das ist kein Boxermotor!
Am meisten wundert mich, dass auch angebliche(?) Profis diese Darstellung (geklaut?) verwenden obwohl sie es besser wissen müssten.
Den eigentlichen Urheber dieser falschen Darstellung konnte ich nicht ermitteln.
Zur Erklärung:
Der Boxermotor
Alle Zylinder liegen beiderseits der Kurbelwelle in einer Ebene
Beim Boxermotor hat jeder der Kolben einen eigenen Hubzapfen an der Kurbelwelle.
Betrachtung eines Kolbenpaares
Die Hubzapfen jeweils eines Kolbenpaares sind um 180 Grad versetzt.
Stellung 000 Grad KW
Sieht man sich das in der Draufsicht an und beginnt mit der Betrachtung bei OT so kann man sich vorstellen, dass man die Kolben (mit Pleuel an die KW montiert) weitmöglichst auseinanderzieht. Die KW sieht dabei aus wie ein Mäander.
Stellung 090 Grad KW
Dreht man die Kurbelwelle um 90 Grad, so sieht die KW von oben gesehen aus wie eine Linie, beide Kolben werden gleichmässig nach innen gezogen.
Stellung 180 Grad KW
Dreht man die Kurbelwelle um weitere 90 Grad, so sieht die KW wieder aus wie ein Mäander, beide Kolben werden maximal nach innen auf Stellung UT gezogen.
Nachdem also immer die gleichen Massen („Gewichte“= Kolben+Pleuel) gleichzeitig Gleiches tun, jedoch die Richtungen genau entgegengesetzt sind, sind die Momente (Massenkräfte 1-ter Ordnung) beim Boxer immer Null.
Bildlich: Versuchen zwei „gleiche“ Personen ein Auto zu schieben, so wird nichts passieren wenn eine nach vorn die andere nach hinten schiebt.
Es treten geringe oszillierende Massenkräfte 2-ter Ordnung auf weil die Kräfte nicht an der gleichen Stelle der KW angreifen können und deshalb versuchen die KW zu verdrehen.
Hinweis:
Massenkräfte haben nichts mit den durch die Verbrennung, die Verdichtungsarbeit, oder die Reibung auftretenden Kräften zu tun!
Mehrzylindermotoren
Beim 2 Zylindermotor (BMW) gibt es ein Paar Kolben (0/180: 1 Arbeitstakt / 1 U),
beim 4 Zylindermotor (VW) sind zwei dieser Paare hintereinander angeordnet (0/180; 360/720; 2 Arbeitstakte / 1 U),
beim 6-Zylindermotor (Porsche) sind es 3 Paare. Allerdings ist die KW beim Porsche nicht 2-dimensional, sondern die Hubzapfenpaare sind um 120 Grad versetzt (=3-D; 0/180; 120/300; 240/420; 3 Arbeitstakte / 1 U).
Eine andere Lösung wäre die Zylinderpaare um jeweils 120 Grad versetzt anzuordnen (Stern-Boxer). Bei Flugmotoren wurde das realisiert, beim Auto ist die Bauform „etwas unpraktisch“.
Der 180 Grad V-Motor
Der 180 Grad V-Motor sieht optisch aus wie ein Boxer.
Auch bei ihm liegen alle Zylinder beiderseits der Kurbelwelle in einer Ebene (180 Grad!)
Betrachtung eines Kolbenpaares
Anders als beim Boxermotor benutzt jeweils ein Kolbenpaar einen gemeinsamen KW-Hubzapfen.
Stellung 000 Grad KW
Sieht man sich das in der Draufsicht an und beginnt mit der Betrachtung bei OT, so kann man sich vorstellen, dass man die Kolben (mit Pleuel an die KW montiert) weitmöglichst z.B. nach links schiebt. Die KW sieht dabei aus wie ein U mit Henkeln.
Dabei steht einer der Kolben auf OT, der andere auf UT
Stellung 090 Grad KW
Dreht man die Kurbelwelle um 90 Grad, so sieht die KW von oben gesehen aus wie eine Linie, beide Kolben werden gleichmässig nach einer Seite gezogen/geschoben.
Stellung 180 Grad KW
Dreht man die Kurbelwelle um weitere 90 Grad, so sieht die KW wieder aus wie ein U mit Henkeln, beide Kolben sind maximal nach rechts gezogen/geschoben.
Einer der Kolben steht auf UT, der andere auf OT
Nachdem also immer die gleichen Massen („Gewichte“= Kolben+Pleuel) gleichzeitig Gleiches tun, jedoch die Richtungen ebenfalls identisch sind, sind die Momente beim 2 Zylinder 180 Grad V immer sehr hoch.
Es treten (beim 2-Zylinder!) praktisch keine Massenkräfte 2-ter Ordnung auf.
Mehrzylindermotoren
Ein 2-Zylindermotor ist in der Praxis nicht realisiert, die Massenkräfte 1-ter Ordnung sind bestenfalls bei einer langsam laufenden Dampfmaschine zu beherrschen. Ein Verbrenner würde nicht einmal für eine Rüttelplatte taugen.
Beim 4-Zylindermotor wären zwar die Massenkräfte 1-ter Ordnung ausgeglichen, doch sind hier die Massenkräfte 2-ter Ordnung zu hoch.
Praktisch realisiert sind 6-Zylindermotoren mit 3-dimensionalen Kurbelwellen und 8- Zylindermotoren.
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