Zu "E10" existieren zahllose Geschichten und Meinungen

Im "OLDTIMER MARKT" habe ich einen Beitrag gefunden der die unterschiedlichen Problematiken nach meiner Auffassung recht gut erklärt.
Aus juristischen Gründen ist er nicht wörtlich übernommen, der Autor aber dennoch genannt.

Sinngemäss zitiert steht dort:

„Über 90 Prozent aller Autos vertragen den neuen Biosprit!',' beschwichtigte Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) die verunsicherten Autofahrer. Nur welche 90 Prozent, das ist auch vier Wochen nach dem Tankstellen-Chaos bei der E10  Einführung immer noch nicht klar. OLDTIMER MARKT erklärt, wo bei den übrigen zehn Prozent die Probleme liegen und ob sich der Umstieg überhaupt lohnt

Wir haben ein Alkoholproblem.

Auf die bange Frage „Verträgt mein Fahrzeug den neuen Sprit?” hielt die millionenfach an Tankstellen ausgelegte Broschüre der Bundesregierung kaum Antworten bereit. Stattdessen nur allgemeines Gutwettermachen für „mehr Bio im Benzin" und der Blick durch eine rosarote Brille auf die positiven Aspekte des Klimaschutzes.
Die eigentliche Arbeit hatte die Politik an die Automobilhersteller und die Mineralölkonzerne delegiert. Den Herstellern kam die Aufgabe zu, die Kraftfahrer darüber aufzuklären, welche ihrer Modelle den gestiegenen Ethanolanteil vertragen und welche nicht.
Kein Wunder also, dass sie vor allem der aktuellen Fahrzeugflotte grünes Licht gaben, direkt aus dem Verkaufsraum zur E10-Säule zu fahren. Der ältere Fahrzeugbestand genoss da nicht unbedingt die höchste Prioritätsstufe. Hinzu kam, dass schon der Gesetzgeber die Aufklärung der Autofahrer zum Selbstbedienungsladen erklärt hatte. Wer sich beim Tanken Sorgen um seinen Motor machte, sollte sich auf der Internetseite der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) die notwendigen Informationen herunterladen – was sich mangels Computer an der Zapfsäule als unpraktisch erwies.
Was die Automobilindustrie allerdings unter der Internetadresse www.dat.deleiOliste zur Verfügung stellte, war den virtuellen Besuch kaum wert: eine simple Liste voller Tippfehler, die sich für Besitzer älterer Fahrzeuge als unbrauchbarer Schnellschuss entpuppte. Eine interaktive Suchfunktion nach Marke und Fahrzeugtyp, wie sie im Internet einfach zu realisieren gewesen wäre? Fehlanzeige. Stattdessen wurden ältere Gebrauchtwagen pauschal als E10-untauglich deklariert oder ebenso pauschal freigegeben.
Beispiel BMW: „In allen BMW-Pkw-Modellen sämtlicher Baujahre ist der unbedenkliche Einsatz von E10-Kraftstoffen möglich – jedoch ist die mindest vorgeschriebene Oktanzahl gemäß Betriebsanleitung weiterhin zu beachten", frohlocken die Bayern in der DAT-Liste. Lediglich in Zweifelsfällen solle man sich telefonisch an die BMW-Kundenbetreuung wenden. Unser Testanruf verläuft allerdings beunruhigend: Zunächst dauert es eine Weile, bis der Kundenberater realisiert hat, dass 2002 und Baujahr 1972 sich nicht grundsätzlich ausschließen und dass es in grauer Vorzeit wohl mal ein Modell namens 2002 gegeben haben muss. Dann allerdings kommen die Informationen zügig: „Für 2002 ti, 20021ii und 2002turbo ist EIO nicht geeignet, dann müsste der normale 2002 ja E10 vertragen – oder!?" Gut, dass wir nachgefragt haben...
Ähnlich unbedarft gehen auch Audi, Opel und VW mit dem älteren Fahrzeugbestand um: Grünes Licht für alle Modelle, lediglich für einige Direkteinspritzer aus den letzten zehn Jahren gibt es aus Ingolstadt, Rüsselsheim und Wolfsburg keine Freigabe.
Anders bei Mercedes-Benz. Die Stuttgarter erklären alle Modelle der Vor-Katalysator-Ära für E10-untauglich und empfehlen, auf andere Spritsorten auszuweichen. Für die Modelle der späten achtziger und frühen neunziger Jahre gibt Daimler ausdrückliche Empfehlungen, die fein säuberlich nach Modellen aufgelistet sind.
Doch bei genauem Hinsehen fallen ein paar Ungereimtheiten auf. Wieso ist beispielweise der Kat-lose 190E 2.3 bis 1988 nicht E10-tauglich, sein Nachfolger ab 1989 jedoch schon? Beide Autos haben die gleiche Bosch-KE-Jetronic, lediglich einmal mit und einmal ohne Kat. OLDTIMER MARKT fragte in Stuttgart nach. „Hier greifen zwei Kriterien", schildert Unternehmenssprecher Gerd Eßer. „Einerseits gleicht die Lambda-Regelung der Kat-Modelle die veränderten Gemischverhältnisse aus und zweitens gab es erst bei den KatVersionen gehärtete Ventilsitzringe, die wegen der Umstellung auf bleifreien Kraftstoff notwendig wurden. Die gehärteten Ventilsitzringe sind bei E10 wegen der geringeren Schmierfähigkeit des neuen Kraftstoffs unverzichtbar."
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Fahrzeuge, die nachträglich auf Bleifreibetrieb umgerüstet wurden oder mit Bleiersatz-Produkten gefahren werden, in diesem Punkt aus dem Schneider sind. Einen entsprechenden Hinweis sucht man allerdings in der Daimler-Liste und auch bei anderen Herstellern vergebens.

Insider sehen gleich mehrere Gründe, weshalb sich die Hersteller so bedeckt halten. Einerseits ist der Industrie das Debakel beim Biodiesel noch in böser Erinnerung, als vorschnelle Freigaben zu einer desaströsen Flut von Reklamationen und Garantiefällen führten. Andererseits hat sich die Regel „im Zweifel gegen den Angeklagten" schon bei der Einführung der bleifreien Kraftstoffe bestens bewährt. Auch damals gab es nur wachsweiche Aussagen der Hersteller und kaum konkrete Freigaben für ältere Modelle –schließlich kann ein Autobauer nur verlieren, wenn er grünes Licht für den „grünen" Sprit gibt: Denn kommt es zu einem Motorschaden – aus welchem Grund auch immer – fällt es auf die vermeintlich falsche Freigabe und damit auf den Hersteller zurück. Hat dieser hingegen vor dem neuen Kraftstoff gewarnt, bleibt es dem Kunden überlassen, seine eigenen Erfahrungen zu sammeln.

Wenn aber die Lambda-Regelung eines Katalysatorautos Veränderungen bei der Gemischbildung ausgleicht, wie sieht es dann mit Vergasermotoren und Einspritzern ohne Kat aus?

Dazu ein kleiner Technik-Exkurs.

Ethanol, also jener Alkohol, der auch in Bier, Schnaps oder Wein enthalten ist, kommt nur auf etwa 60 Prozent des Heizwerts von Benzin. Daraus ergibt sich, dass Ethanol als Kraftstoff mit deutlich weniger Luft gemischt werden kann, um das perfekte Verbrennungsverhältnis zu erreichen. Dieses stöchiometrische Gemisch entsteht, wenn einem Kilo Benzin 14,7 Kilo Luft zugeführt werden. Für ein Kilo Ethanol reichen bereits neun Kilo Luft aus. In der Praxis bedeutet das, dass ein Benziner, der mit reinem Ethanol betrieben würde, viel zu mager liefe.
Bei Katalysator-Motoren misst jedoch die Lambdasonde ständig den Restsauerstoffgehalt im Abgas und sorgt über die Einspritzanlage dafür, dass stets ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Luft und Kraftstoff zustande kommt. Bei E10 lässt die Motorsteuerung also einfach etwas mehr Sprit durch die Einspritzdüsen fließen. Spürbar ist das für den Fahrzeugbesitzer durch den unvermeidlichen Mehrverbrauch, den der neue Biosprit so zwangsläufig mit sich bringt und der rein rechnerisch knapp zwei Prozent beträgt – wenn man als Vergleichssorte das derzeit übliche Super 95 (E5) heranzieht, das ja bereits bis zu fünf Prozent Ethanol enthält.
Vergasermotoren und Einspritzer ohne Katalysator wurden aber ursprünglich auf Kraftstoffsorten ohne Ethanolanteil abgestimmt, weshalb bei der potenziellen Abmagerung der volle Zehn-Prozent-Anteil zum Tragen kommt. So kann schnell ein zu mageres Gemisch entstehen, das wegen der erhöhten Verbrennungstemperatur für den Motor gefährlich wird. Allerdings ist das kein unabwendbares Schicksal für alle Klassiker, schließlich lassen sich auch ältere Einspritzanlagen einstellen und Vergaser mit größeren Düsen bestücken. Die Rolle der Lambdasonde übernimmt hier der Abgastesten in der Werkstatt und für die Regelung sorgt ein kundiger Schrauber. Dr. Karlheinz Lange, der vor seiner Pensionierung bei BMW als Motoren-Entwicklungschef tätig war, warnt: „Mit Einführung der strengeren Abgasgrenzwerte in Kalifornien wurden Vergaser ab den siebziger Jahren immer magerer abgestimmt. Da bleibt nicht viel Spielraum für Ethanolbeimischungen!

Das eigentliche Problem sind aber die Materialien
, die im KraftStoffsystem verbaut wurden. Da kann niemand mit Bestimmtheit sagen, ob die Ethanol vertragen. Heikel sind vor allem Elastomere wie Gummi, die bei längerem Kontakt mit Alkohol verspröden können. Auch Aluminium reagiert mit Ethanol, vor allem, wenn die Oberfläche mechanisch beschädigt ist oder bereits erste Ausblühungen zeigt. Da über den Kraftstoff au¬ßerdem verstärkt Wasser ins Motoröl gelangen kann, empfiehlt es sich, die Ölwechselintervalle zu verkürzen. Bei Fahrzeugen, die vor 1980 gebaut wurden, würde ich aus all diesen Gründen lieber die Finger von E10 lassen!"
Konkrete Untersuchungen, wie Young-und Oldtimer auf den Biosprit reagieren, gab es bei keinem der befragten Hersteller. Daimler-Sprecher Eßer: „Praxis-Tests für jedes Modell der 125-jährigen Firmengeschichte wären nicht nur nahezu unmöglich, sie hätten auch wenig Aussagekraft. Denn welcher Oldtimer besteht schon zu hundert Prozent aus den Teilen, die in der Produktion verwendet wurden? Wir als Hersteller können aber beispielsweise für einen Benzinschlauch aus dem Zubehörhandel nicht den Kopf hinhalten. Letztlich reicht ein einziges Ausschlusskriterium für eine E10-Warnung aus – zum Beispiel die mögliche Unverträglichkeit von Aluminiumkomponenten gegenüber Ethanol. Da Vergaser aber mehrheitlich aus Aluminiumlegierungen bestehen, haben wir Vergaserfahrzeuge nicht freigegeben."
Kenner der VW-Modellpalette bezweifeln, dass solche Schäden überhaupt auftreten werden. Die Wolfsburger exportieren seit Jahrzehnten Autos nach Brasilien wo Kraftstoffe mit 20-prozentiger Ethanolbeimischung üblich sind. Millionen Brasilianer fahren sogar mit reinem Alkohol (E100) bei dessen Produktion das südamerikanische Land Weltmarktführer ist. Trotzdem waren die Materialien des Kraftstoffsystems für Deutschland und Brasilien gleich.
Auch in den USA gibt es seit 1989 eine rund zehnprozentige Ethanolbeimischung, mit der seither auch die Importautos aus Europa oder Asien klaglos funktionieren – hier liegt übrigens auch der Grund, weshalb die US-Hersteller in der DAT-Liste alle Fahrzeuge nach 1989 vorbehaltlos für E 10 freigeben.
Völlig unspektakulär verlief die E10-Einführung bei unseren französischen Nachbarn, wo der Biosprit unter der Bezeichnung SP95 E10 bereits seit zwei Jahren zu haben ist. Ende 2010 machte die Alkohol-Sorte rund 13 Prozent aller Benzinverkäufe in Frankreich aus.
Da bleibt die Frage, was denn im schlimmsten Fall geschehen kann, wenn wagemutige Oldtimerbesitzer den billigeren Biosprit tanken. Dazu unser Werkstattfragen-Experte Jochen Geiken, der seit 45 Jahren bei Bosch-Diensten arbeitet: „Vor allem in frühen Einspritzern mit Jetronic gibt es jede Menge Gummimembranen und Hochdruckschläuche, die nur mit großem finanziellem Aufwand zu wechseln sind –wenn die Teile überhaupt noch verfügbar sind. Hinzu kommt eine nicht zu unterschätzende Brandgefahr, wenn beispielsweise die Schläuche an den Einspritzdüsen platzen. Schon deshalb rate ich hier von Experimenten dringend ab! Die mögliche Ersparnis beim Tanken steht in keinem Verhältnis zum Risiko!
Bei Fahrzeugen mit relativ simplen Vergaseranlagen sieht die Sache schon anders aus – sofern es für den Fall der Fälle auch Ersatzteile gibt. Wenn E10 nach dem obligatorischen Austausch der Benzinschläuche tatsächlich die übrigen Gummi- und Alu-Komponenten angreift, sollte es mit dem Austausch der Benzinpumpenmembran und einer Vergaserüberholung bereits getan sein. Während der ersten paar hundert Kilometer kann das Kerzenbild Aufschluss geben, ob der Motor zu mager läuft. Ist die Kerze rehbraun, ist alles in Ordnung, ist sie heller oder sogar grau, muss die Gemischaufbereitung etwas fetter abgestimmt werden."
Kapitale Motorschäden, wie sie durch einige Medien geisterten, sind bei Klassikern nicht zu erwarten.
Die Warnung des ADAC, im Falle einer Falschbetankung solle der Motor auf keinen Fall gestartet, und der Tank ausgepumpt werden, richtet sich an eine moderne technische Minderheit: die erste Direkteinspritzer-Generation, die erst vor wenigen Jahren erschien. Weil deren Einspritzanlagen mit Drücken von bis zu 120 bar arbeiten, kann es tatsächlich schon bei einmaligem Betrieb mit EIO zu Schäden kommen. Die betreffenden Fahrzeugtypen werden aber in der DAT-Liste zuverlässig benannt.

Einige ethanoltypische Probleme traten aber auch schon bei den bisher verwendeten E5-Kraftstoffen zutage. Weil der Alkohol stark wasseranziehend (hygroskopisch) ist, bilden sich vor allem während längerer Standzeiten Wasserablagerungen im Tank, die ihrerseits zerstörerisch wirken können, wenn sie mit rostgefährdeten Komponenten in Verbindung kommen. Jochen Geiken: „Die meisten Korrosionsschäden, die ich bislang gesehen habe, sind eher durch das Wasser als durch den Alkohol selbst verursacht worden. Besonders empfindlich reagieren die hochpräzisen Regelkolben der Bosch K-Jetronic-Reihe. Wenn sie rosten, ist die Anlage ein Fall für den Schrott!" Durch die wasseranziehenden Eigenschaften ist ethanolhaltiger Kraftstoff aber auch in der Lage, Wasser im Kraftstoffsystem zu binden und es quasi zum Auspuff hinaus zu befördern. Voraussetzung dafür ist allerdings ein regelmäßiger Betrieb des Autos. Jochen Geiken: „Wenn das Fahrzeug jedoch zum Stehzeug wird, beobachten wir vor allem bei Klassikern mit offener Tankentlüftung immer häufiger Startschwierigkeiten, die scheinbar durch mangelnde Zündfähigkeit des Kraftstoffs verursacht werden!" Eine interessante Randnotiz dazu: Nach Erscheinen des E10-Sprits riet die Stationärmotoren-Division von Honda ihren Kunden, Stromerzeuger nicht mit Kraftstoffen zu befüllen, die älter als 40 Tage sind...

Auf viele Ablagerungen und Beschichtungen wirkt Ethanol wie ein Lösemittel
. Das bedeutet, dass auch alter Schmutz gelöst und in die Kraftstofffilter transportiert wird–wenn sie denn vorhanden sind. Ansonsten sind verstopfte Vergaser oder Einspritzanlagen die logische Folge. Herbert Ammon, der sich in Schweinfurt auf Tankbeschichtungen an Autos und Motorrädern spezialisiert hat, warnt: „Ich habe in letzter Zeit schon einige Tanks gesehen, bei denen sich die Innenbeschichtung gelöst hatte. Daraufhin haben wir eigene Versuche gemacht und festgestellt, dass unsere Beschichtung bis etwa 20 Prozent Ethanolgehalt standhält, dann wird sie spürbar weicher. Ältere Beschichtungen hatten sich da bereits teilweise gelöst!"

Ob sich der Mut zum Risiko lohnt, ist ein simples Rechenexempel.
Verbraucht ein Fahrzeug zehn Liter ES, auf 100 Kilometer, wären es mit E10 zwei Prozent mehr – also 10,2 Liter. Erst nach 500 Kilometern kommt da ein ganzer Liter Mehrverbrauch zusammen. Man tankt also 51 Liter E10 statt 50 Liter E5. Gehen wir von einer Preisdifferenz von durchschnittlich sechs Cent pro Liter aus, dann kosten 50 Liter Super Plus drei Euro mehr als 50 Liter Super E10. Zieht man davon den Preis für den einen mehr verbrauchten Liter ab, liegt die Differenz bei einer 50-Liter-Tankfüllung bei rund 1,50 Euro. Hält man dem die Kosten für eine Vergaserinstandsetzung entgegen, die schnell mit 300 Euro zu Buche schlagen kann, dann müsste man 200 Mal E10 tanken, ehe sich die Arbeit am Vergaser amortisiert hat – das wären in unserem Rechenbeispiel immerhin 100.000 Kilometer! Kein Wunder also, dass nicht nur Angsthasen, sondern auch nüchterne Rechner vorzugsweise zur Super-Plus-Pistole griffen.

Womit wir auch schon beim nächsten Ärgernis wären. Wer nämlich noch vor gar nicht so langer Zeit seinen Klassiker mit billigerem Normalbenzin betankte, fühlt sich jetzt völlig unnötigerweise zur SuperPlus-Säule durchgereicht. Schon lassen die Mineralölgesellschaften durchblicken, dass das bisherige Super 95 (E5) bald auf ähnliche Weise verschwinden wird wie zuvor das Normalbenzin: Zuerst nähern sich die Preise an, bis beide Sorten dasselbe kosten - was nicht weiter verwunderlich ist, denn tatsächlich kommt der teure Saft sowieso aus demselben Tank. Am Ende bleiben drei Grundsorten übrig: Super E10, Super Plus und Diesel. Mehr Vielfalt lassen die Bodentanks vieler kleinerer Tankstellen auch gar nicht zu. Moderne Großtankstellen haben darüber hinaus auch noch Platz für markenspezifische Eigenkreationen. Für Oldtimerfahrer ist das vor allem deshalb ärgerlich, weil sie den vermeintlichen Qualitätsvorteil der sogenannten Premium-Sorten gar nicht nutzen können. Denn der definiert sich über die Oktanzahl und damit über die Klopffestigkeit des Kraftstoffs. Normalbenzin mit einer Mindestoktanzahl von 91 reicht für viele Klassiker völlig aus. Sogar viele hoch verdichtete Motoren der sechziger und siebziger Jahre, für die damals Super mit 98 Oktan vorgeschrieben war, ließen sich mit Super 95 fahren.
Doch auch hier hat der Gesetzgeber ein Eigentor geschossen. Denn in der Verordnung zur Einführung des Biosprits heißt es nur, dass Tankstellen, die Super E10 verkaufen, auch Super mit fünf Prozent Ethanolanteil anbieten müssen. Diese sogenannte „Schutzsorte" war ausdrücklich für all jene Fahrzeuge gedacht, die nicht ohne weiteres E10 vertragen. Minister Röttgen und auch ADAC-Präsident Meyer wetterten dementsprechend lautstark, als die Mineralölindustrie nun einfach das teure Super Plus zur Schutzsorte erklärte. So sei das nicht gemeint gewesen, kritisierte Röttgen die Geldschneiderei mit der Premiumsorte. Dass gut gemeint das Gegenteil von gut gemacht ist, zeigt ein weiterer Blick in den Text der Verordnung. Denn dort werden die Mineralölkonzerne lediglich verpflichtet, mindestens 6,25 Prozent des Kraftfahrzeug-Energiebedarfs aus BioKraftstoffen zu decken. Verkaufen die Konzerne weniger Bio-Sprit und Bio-Diesel müssen sie empfindliche Strafen zahlen. Wie die Konzerne die staatlich definierte Mindestabsatzmenge erreichen, bleibt ganz allein ihnen überlassen. So gibt es für die Zukunft zwei denkbare Szenarien: Entweder der E10-Absatz rollt doch noch an und der Biosprit entwickelt sich zur Hauptsorte, oder die Mineralölkonzerne müssen rund zwei Cent pro verkauftem Liter als Strafzahlung an den Staat abführen. Wer die Alkohol-Zeche in jedem Fall zahlt, ist schon jetzt sicher: die Autofahrer. Denn für die Konzerne bedarf es nur eines Knopfdrucks, um die Preisanzeige für Super Plus um besagte zwei Cent nach oben zu korrigieren. Und bei aller Entrüstung über die Abzocke an der Zapfsäule hält Vater Staat hinten herum gleich dreimal die Hand auf. Erstens spült der zweiprozentige E10-Mehrverbrauch Milliarden in die Staatskasse, zweitens kassiert der Fiskus die Strafzahlungen der Mineralölkonzerne und drittens erhebt er auf all das noch 19 Prozent Mehrwertsteuer. Da soll noch einer sagen, Klimaschutz rechne sich nicht.


Schutz aus der Dose?

Ein paar Spritzer in den Tank und dann ruhigen Gewissens E10 tanken — das verspricht die Firma Wagner Spezialschmierstoffe aus dem schwäbischen Wechingen (www.waqner-spezia¬schmierstoffe.cle). Das Additiv Bactofin, eigentlich ein Kraftstoffzusatz gegen Bakterienwachstum, soll gleichzeitig auch als Bleiersatz und Korrosionsschutz fungieren. Das Mittel wird im Verhältnis 1:1000 mit E10 verdünnt und kostet in der Einliterdose 34,90 Euro - also umgerechnet 3,5 Cent pro Liter Tankinhalt. OLDTIMER MARKT wird im nächsten Heft eine Marktübersicht solcher Additive zusammenstellen und einen Labortest zum Thema E10-Verträglichkeit starten. Dabei setzen wir verschiedene Materialien, die im Kraftstoffsystem vorkommen, den Spritqualitäten von E5 bis E85 aus. Bei der Gelegenheit können dann auch die Additive zeigen, was sie können.

Alles schon mal da gewesen
Die staatlich verordnete Alkoholbeimischung ist keineswegs neu. Um die Weimarer Republik unabhängiger von Ölimporten zu machen, verfügte der Deutsche Reichstag schon 1930 die Bezugsverordnung von Spiritus zu Treibstoffzwecken. Danach war jeder Mineralölkonzern verpflichtet, 2,5 Prozent der produzierten Kraftstoffmenge aus heimischem AgrarAlkohol zu beziehen. Dieser Anteil erhöhte sich bis Oktober 1932 auf zehn Prozent. Das Ethanol stammte von der 1925 gegründeten Reichskraftsprit (RKS), einem Zusammenschluss der deutschen Spiritusfabriken und der Reichsmonopolverwaltung für Branntwein, die das Bioethanol hauptsächlich aus Kartoffeln, Zuckerrüben und Getreide herstellte. Wesentliches Ziel der staatlichen Alkoholquote war die Stärkung der Landwirtschaft, die sich schon um die Jahrhundertwende mit Treibstoffen aus Alkohol ein zweites Standbein geschaffen hatte. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der erste Motor von Nikolaus August Otto mit Ethanol betrieben wurde! Erst als das deutlich billigere Benzin ab 1904 massenhaft in Deutschland angeboten wurde, schwenkten die Motorenbauer um und verwendeten künftig das importierte Erdölprodukt. Wegen seiner hohen Klopffestigkeit (104 ROZ) galt Ethanol stets als besonders hochwertiger Kraftstoff. Bis Mitte der Dreißiger wurde es als Zusatz zum Benzin verwendet, wenn es um Kraftstoffe für hochverdichtete Motoren ging. 1935 erwarb die I.G. Farben von der US-amerikanischen Gesellschaft Standard Oil die Lizenz zur Herstellung von Bleitetraäthyl, das dann als billigste Art, Benzin klopffest zu machen, den Alkohol verdrängte – womit sich die Frage erübrigt, ob Veteranen vor Baujahr 1936 mit E10 betrieben werden können.

Die EU trifft keine Schuld
Wenn Umweltminister Norbert Röttgen auf eine EU-Richtlinie verweist, nach der die Einführung des neuen Biosprits quasi unumgänglich sei, ist das nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich haben sich die EU-Mitgliedsstaaten in ihrem großen Klimaschutzpaket darauf geeinigt, bis 2020 den Anteil von Biokraftstoffen im Verkehr auf zehn Prozent zu steigern. Wie dieses Ziel erreicht wird, bleibt aber den einzelnen Ländern selbst überlassen. Dazu der Umweltsprecher der EU-Kommission, Joe Hennon: „Es gibt seit 2009 eine Richtlinie über die Qualität von Biokraftstoffen. Diese legt aber lediglich fest, dass in der EU ab diesem Jahr Kraftstoffe mit einer Ethanolbeimischung von mehr als fünf Prozent angeboten werden können – nicht müssen. Deutschland könnte zurzeit also Sprit mit einem Alkoholanteil von Null bis zehn Prozent anbieten, ohne gegen EU-Recht zu verstoßen!" Europaparlamentarier Bernd Lange (SPD, Foto) wagt für OLDTIMER MARKT einen Blick über die Grenzen: "Schweden setzt verstärkt auf die Verwertung von Holz und die sogenannter Flex-Fuel-Fahrzeuge, die bis zu 85 Prozent Ethanol vertragen, andere Mitgliedsstaaten setzen eher auf Biodiesel – da gibt es durchaus verschiedene Lösungsansätze!'

Teller oder Tank - eine unselige Konkurrenz

Während sich die Techniker noch streiten, welche Motoren den neuen Öko-Sprit vertragen, stellen die Umweltschutzverbände den Klimanutzen grundsätzlich in Frage und warnen vor den humanitären Folgen. So rechnete der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) aus, dass rund 27 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland mit Energiepflanzen bewirtschaftet werden müssten, um den gesamten Inlandsbedarf an Bioethanol zu decken. Derzeit seien es lediglich fünf Prozent. Der BUND befürchtet, dass weltweit Wälder und Moore weichen müssten, wenn der Anbau von Energiepflanzen ausgeweitet werde. Dem hält der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, (Foto) entgegen, dass Ackerland hierzulande keineswegs knapp sei, außerdem gelte seit 1. Januar 2011 in Deutschland die weltweit einzige Nachhaltigkeitsregelung für Biokraftstoffe. Fest steht jedoch auch, dass es kaum eine uneffektivere Nutzung der Energiepflanzen gibt, als deren Umwandlung in Bioethano.l Der Umstieg auf Biomasse zur Kraftstofferzeugung ist für die deutschen Bauern dank massiver Subventionen ein lohnendes Geschäft – vor allem unter dem Aspekt, das die EU erst 2007 die künstlich hoch gehaltenen Preise für Zuckerrüben in Deutschland ausgebremst hat. Die deutsche Rübe war im Vergleich zu brasilianischem Zuckerrohr einfach nicht mehr konkurrenzfähig. Da ist es eine glückliche Fügung, dass die Bundesregierung den Rübenbauern eine Zukunft als Treibstofflieferanten beschert. Der Nebeneffekt: Deutschland importiert andere Agrargüter und tritt somit auf dem Weltmarkt als Konkurrent der Dritten Welt auf, die schon jetzt die Preise für Weizen, Reis oder Soja kaum mehr bezahlen kann. Doch während sich ein Mensch von einem Kilo Getreide ungefähr anderthalb Tage ernähren kann, kommt ein Auto damit gerade einmal drei Kilometer weit. Stellt sich da wirklich die Frage: Teller oder Tank?

Alte Benzinschläuche sind E10-empfindlich. Sie sollten gegen Neue mit dem Materialkürzel NBR/CR ausgetauscht werden (DIN 73379-1)
Messingschwimmer sind nicht gefährdet. Für Kunststoffe gibt es noch keine umfassenden Aussagen der Hersteller

Text: Peter Steinfurth