Was ist passiert wenn das ABS nicht mehr mag?

In „4V ABS II Funktionsweise“(Link) sind der Systemaufbau und die Funktion erklärt. Dieser Beitrag bezieht sich darauf!

Die Lämplein leuchten dauerhaft, der Freundliche hat den "Plungertest" zum wiederholten Mal durchgeführt und verkündet nun "Kolbenfehler, ein neues Hydroaggregat kostet 1400 EUR plus den Einbau….". Tiefes Schlucken beim Betroffenen.

Jörg hat sich defekte Regelgeräte (BMW-deutsch = Druckmodulator") besorgt und zerlegt. Gemeinsam mit ihm ist dann die Funktionsbeschreibung bei „4V ABS II Funktionsweise“ entstanden und wir haben die Fehler diskutiert.

1. Kondensator defekt
Bei Jörgs eigenem Hydroaggregat waren zwei Kondensatoren der Regelelektronik durchgebrannt.

Dieses Hydroaggregat konnte durch den Austausch des Elektronikteils gegen ein gebrauchtes anderes und nachfolgendem Anlernen beim Freundlichen wieder aktiviert werden.


2. Kupplung klebt
Beim zweiten Gerät war ordinärer Rost die Ursache! Im gesamten Aggregat sieht es grausam aus. Speziell zwischen der Reibscheibe des E-Magneten und der "Ferroscheibe"  ist hinderlicher Rost. Offenbar kleben die Teile aneinander fest und das Gerät funktioniert deshalb nicht vernünftig.

Fünf weitere Geräte sahen von innen aus wie gerade montiert, aber auch bei diesen befand sich bei näherer Begutachtung „Dreck, Abrieb, Korrosion“ speziell an der „Ferritscheibe“. Auch bei diesen Geräten wurde die Funktion anscheinend durch „kleben“ unterbunden.

Überlegungen
Beim anfänglichen Selbsttest des Systems könnte die Elektronik Strom oder Spannung bewerten.
Wenn der Motor anläuft (Strom1) UND der E-Magnet erregt (Strom2) wird so wird ein relativ hoher Strom gezogen. Dieser erhöht sich weiter weil der Motor die (kräftige!) Feder spannen muss (Strom3). Die 3 Stromkomponenten addieren sich, der Spannungsabfall ist groß.
Ist die Hülse bis zum unteren „Schaltpunkt“ gezogen wird der E-Magnet stromlos, die Feder entspannt sich.
Zu hören ist das das bekannte "Kla-KLACK". Maximal fliesst noch der relativ kleine Motorstrom und der Spannungsabfall wird schlagartig geringer.
„Klebt“ der Magnet, so entfällt nur Komponente 2 (der Strom für den E-Magneten) und der Spannungsabfall wird weniger deutlich ausfallen.
Ist dabei, bei schwacher Batterie, die Restspannung zu gering, fällt diese Prüfung negativ aus und das System schreit "ALARM".

Die Freundlichen können mit ihren Testgeräten einen „Plungertest“ durchführen. Es könnte sein, dass dies nichts weiter ist als ein wiederholt durchgeführter „normaler“ Selbsttest. Durch das wiederholte Gerüttel lösen sich wohl in einigen Fällen die „klebenden Bauteile“.
Auch die Erzählungen von erfolgreichen „Reparaturen“ durch Schläge mit einem Gummihammer wären so zu erklären.
 
Abhilfe
Gedanke:
Schmirgelpapier dazwischen, eventuellen Rost weg und gangbar machen.
Ein Problem der Geräte scheint zu sein, dass Motor und Magnete zusammen ausgelöst werden. Die Reibflächen haben keine Chance sich frei zu reiben, durch die erhöhte Stromaufnahme sagt die Steuerung "und tschüss" und schaltet das ABS aus = Kolbenfehler.
Als Idee spekulierten wir darüber den Modulator über einen Taster am Relais von Hand starten und den Kasten einmal pro Woche/beim Tanken für ein paar Sekunden im "Leerlauf" laufen lassen. Dies aber wird offenbar bei jedem Start ohnehin gemacht (Selbsttest)
Überlegungen:
Weshalb rennt der Motor nicht gleich beim Bremsen los und die Magnete schalten sich bei Bedarf nur zu?
Weshalb klebt der Reibbelag?
Vorübergehend hatte ich den Verdacht es sei kein Reib-, sondern ein Gleitbelag. Der Vergleich des Belags mit demjenigen einer im Ölbad laufenden Kupplung zeigte jedoch, dass sich diese Beläge zumindest ähneln.
Weshalb ist das Innenleben rostig?
Eine von Jörg angeregte Entwässerung der "Wanne" ist eine sicherlich keine schlechte Idee. Allerdings scheint es kein signifikantes Problem zu sein, da ja mit einer Ausnahme alle Geräte „neu“ aussahen.

3. Kolben klemmt (Bilder sind in Vorbereitung)
Terry von den ADVRider (USA) stellt eine weitere Fehlermöglichkeit zur Diskussion.
Er konzentriert sich auf den kleinen Kolben(vi) der „tieferrutschen“ muss (nicht gezogen wird!) um das Leitungsvolumen zu vergrössern und vermutet, dass dieser „klebt“.
Folglich baut er ihn aus, reinigt ihn und seine Bohrung (=Zylinder), setzt alles wieder zusammen und das Problem könnte gelöst sein.
Diese Lösung wäre recht einfach und nicht sehr kostenintensiv wenn man eine Werkstatt findet die bereit ist es zu tun. BMW-Partner sind gehalten die Finger von den Modulatoren zu lassen. Offizielle Reparaturanleitungen sind nicht verfügbar.

Überlegungen hierzu :
Wenn im Fahrbetrieb das ABS benötigt wird herrscht Druck im jeweiligen Bremskreis. Reagiert das ABS so wird der Kolben durch diesen Druck (den er ja mindern soll) bewegt werden.
Erfolgt beim Einschalten der Zündung der Selbsttest, so ist das System praktisch drucklos. Der Kolben könnte in seiner oberen Endlage verharren/klemmen während die Kette die Hülse nach unten bewegt und ihm sozusagen den Boden unter den Füssen wegzieht. Davon würde die Regelelektronik erst einmal nichts bemerken.

Wird jetzt die Feder freigegeben will sie die Hülse und somit den Kolben schlagartig nach oben drücken. Daraus ergeben sich wenigstens zwei Möglichkeiten:
a) Der Kolben war frei gängig und der Raum über ihm ist mit Bremsflüssigkeit gefüllt. Die „schlagartig“ startende Bewegung wird gedämpft, weil der Kolben die über ihm befindliche Bremsflüssigkeit durch eine relativ kleine Bohrung drücken muss und auch der Kolben im Bremssattel Gegendruck aufbaut.
b) Der Kolben war NICHT frei gängig sondern klemmt oder bewegt sich nur minimal. Die „schlagartig“ startende Bewegung wird nicht gedämpft und die Hülse kracht mit voller Wucht gegen den Kolben.

Für diese These spricht, dass einige Betroffene (auch Terry) sagen das Geräusch beim Selbsttest habe sich verändert und klänge „härter“.

Als Indikator für die Fehlermeldung vermutet er, dass mit Hilfe des induktiven Gebers die Rücklaufgeschwindigkeit der Hülse beurteilt wird. Ist der Rücklauf gedämpft, so wird sie langsamer sein.

Als ganz „billige“ Abhilfe könnte ich mir vorstellen während der Testphase beim Einschalten der Zündung einfach zu bremsen und so Druck im System aufzubauen der den Kolben lösen könnte. Das ABS wertet keinen Druck aus, kann also nur indirekt reagieren. Im Zweifel muss man eben die Zündung noch einmal ausschalten.

Beobachtungen (auch durch Dritte):
Der hintere Bremskreis ist weniger betroffen weil da das ABS öfter zum Einsatz kommt als vorne (also doch freirubbelt; aber wenn….).
Wiederholte „Plungertests“, absichtliche Bremsmanöver in den Regelbereich, oder Schläge mit dem Gummihammer bringen vorübergehend Abhilfe.


Interessant ist, dass BMW für die Lagerung der ABS II-Steuereinheiten ein Haltbarkeitsdatum vorgibt! An der Elektronik kann das nicht liegen :-)

Link
4V ABS II Funktionsweise
4V ABS II Schaltungsänderung
4V1 ABS II Fehlerursachen.docx