Eine 2V-BMW erzeugt schon in einwandfreiem Zustand eine ganze Menge an mechanischen Geräuschen. Mit der Zeit werden es immer mehr, aber vieles davon fällt kaum auf ... denn diese Geräusche werden erst im Laufe der Zeit lauter, und man gewöhnt sich daran. Eine dieser "schleichenden" Lärmquellen ist die Steuerkette.
Der Austausch in der Werkstatt ist teuer - nicht etwa wegen der Teile, sondern wegen des vergleichsweise hohen Arbeitsaufwands. Man muss eben eine ganze Menge Teile demontieren. Etwas Geschick und Selbstvertrauen vorausgesetzt - ich gehe bei der folgenden Beschreibung davon aus, dass das nicht die erste "Schrauber-Aktion" ist - , kann man den Austausch der Steuerkette aber durchaus selbst bewerkstelligen.
Ersatzteile (hier eine R80GS; die Teileliste ist zumindest für die R100 GS und R100R identisch):
- Steuerkette (Nr. 11 31 1 335 934)
- Kettenspanner (Nr. 11 31 1 338 185)
- Feder (Nr. 11 31 1 335 584)
- Gleitschiene (Nr. 11 31 1 335 576
- Dichtung (Nr. 11 14 1 338 428)
- Simmerring (Nr. 11 14 1 255 011)
Alles zusammen kostet normalerweise deutlich unter 50 EUR.
Werkzeug:
- Bordwerkzeug
- Schlüssel für die Auspuff-Sternmuttern
- Plastikhammer
- kleine Spitzzange
- Abdrückstift für den Lichtmaschinenrotor (gehärteter Stahlstift 6x50 mm)
- HaarFön oder Heissluftgebläse
- Stroboskoplampe (um nach dem Zusammenbau die Zündung einzustellen)
Sonstiges:
- helle Farbe oder "Tipp-Ex"
- Kabelbinder
- Rostlöser oder Kriechöl
- Kupferpaste oder "Optimol TA" fuer die Aufpuffgewinde (Hinweis: Ob man Kupferpaste auf Auspuffgewinde auftragen soll oder nicht, hat schon Anlass zu heftigen Diskussionen gegeben und soll an dieser Stelle hier nicht weiter breitgetreten werden. Der Autor dieser Zeilen verwendet Kupferpaste seit Jahren ohne Probleme ;-)
Zeitbedarf:
Ein Nachmittag. Bei ersten Mal brauchte ich rund 6 Stunden, mittlerweile sollte ich das aber in der Hälfte der Zeit hinbekommen.
Vorbereitende Arbeiten:
- Der Motor muss kalt und sauber sein. Eine gründliche Reinigung des Motorblocks (bitte nur den Motorblock) mit dem Dampfstrahler ist sicher nicht verkehrt.
- Ablassen den Motoröls ist NICHT erforderlich.
- Vorher (!) sicherstellen, dass sich die Auspuffmuttern drehen lassen. Die Auspuffkrümmer müssen - zumindest bei GS und R - abgebaut werden, weil deren Interferenzrohr mit dem unteren Teil des Kettenkastens interferiert (sic). Also am Abend vorher Kriechöl auf die Gewinde geben, und am nächsten Tag vorsichtig versuchen, die Sternmuttern zu drehen. Wenn man hier das Gewinde vermurkst, wird es schnell teuer!
Nun geht's aber wirklich los:
- Auspuff-Sternmuttern komplett losschrauben.
- Auspuff-Verschraubung am Sammler (auf Höhe der Fahrer-Fussrasten) lösen.
- Krümmer nach vorne herausziehen, dabei eventuell mit einem Plastikhammer von der Krümmerinnenseite nachhelfen.
- Falls die Maschine mit Sturzbügeln ausgestattet ist: die beiden "inneren" Schrauben oben am Sturzbügel rausdrehen; sie stören sonst beim Abziehen des Kettenkastendeckels.
- Sitzbank und Tank abnehmen, Batterie Minuspol abklemmen und den Minuspol isolieren.
- Den Luftfilter entfernen und die beiden Schrauben lösen, die die Abdeckung des Anlassers halten. Die Anlasserabdeckung nach links wegnehmen.
- Die vordere Motorabdeckung abnehmen (2 Schrauben).
- Den Stator und Rotor der Lichtmaschine enfernen (siehe Artikel "Lichtmaschine")
- Die Diodenplatte abbauen. Auch das Kabel, das an dessen Rückseite befestigt ist. ACHTUNG: Bei allen Kabeln unbedingt notieren, wo sie aufgesteckt waren!
- "Vorne unten" am Motor sitzt eine "Blechdose", in der der Zündauslöser steckt. Die Position der Haltschrauben mit Farbe, Tipp-Ex oder aehnlichem markieren, damit man nachher beim Zusammenbau den Motor wieder ans Laufen bekommt ;-)
- Waehrend die Farbe trocknet, den Steckverbinder des Zündauslösers lösen (Drahtklammer mit einem kleinen Schraubendreher aufhebeln).
- Den Zündauslöser abschrauben (2 Schrauben) und nach vorne abziehen.
- Die 9 Innensechskantschrauben und 3 Innensechskantmuttern an der Abdeckhaube der Steuerkette lösen. Dabei treten ein paar Tropfen Öl aus, was aber unbedenklich ist.
- Mit einer Heißluftpistole die Gegend um den Konus des Lichtmaschinenrotors erhitzen, da das Lager dort eng sitzt.
- Nun kommt der große Augenblick: Nach Lösen der Schrauben die Steuerkettenabdeckung gerade in Richtung Vorderrad abziehen. Beim Abziehen und Ablegen der Abdeckung darauf achten, dass keine der 12 Unterlegscheiben der Verschraubung verloren gehen.
- Voilà ... ein schönes Stück Mechanik, nicht? ;-)
- Zuallererst mit "Tipp-Ex" die Position der Zahnrdder der Steuerketteneinheit zueinander markieren. Dabei unbedingt "grosszügig" markieren, nicht nur auf den Zahnflanken (dort ist die Farbe nach einer Umdrehung schon wieder ab).
- Die Reste der Dichtung entfernen und alle Teile sorgfältig reinigen. Dabei sorgfältig darauf achten, dass keine Reste ins Motorinnere fallen.
- Nun den linken (von vorne aus gesehen) Steuerkettenspanner entfernen. Er ist mit einer Schraube und einer Mutter befestigt; bitte keine Kleinteile verlieren.
- Der rechte Steuerkettenspanner steht unter Federspannung: Einfach mit einer Zange den Halteclip lösen und den Spanner nach vorne herausziehen. Nicht erschrecken: Die Feder springt dabei in ihre "entspannte" Position.
- Nun das Kettenschloß lösen und die alte Kette abnehmen. Wenn eine Endloskette verbaut ist (ab Bj. 1988 sehr unwahrscheinlich), muss man ein Glied sprengen oder die Kette einfach durchflexen. Hatte ich erwähnt, das keine "fremden Objekte" in das Motorgehäuse gelangen dürfen ... ?
- Pause machen.
Zusammenbau:
- Die Feder und den Kolben des "rechten" (von vorne) Kettenspanners einbauen. Den Kolben des Spanners mit einem Kabelbinder zurückdrücken, damit er nicht stört.
- Die neue Steuerkette auflegen, dabei die Kettenräder nicht verdrehen (Markierung!).
- Jetzt kommt der lustige Teil des Tages. Das Kennenschloß muss von HINTEN aufgesteckt werden. Dies funktioniert am besten wie folgt:
- Kettenenden zunächst auf einem Kettenrad zusammenbringen und von VORNE mit dem alten Kettenschloss provisorisch zusammenstecken.
- Kette so drehen, dass das Schloss in die "11-Uhr Position" kommt (nur hier ist genug Platz, um dahinter zu greifen). Wie man diese Kette dreht? Per Kickstarter. Oder Zündkerzen raus, Gang rein, und per Hinterrad drehen.
- Jetzt kommt der Trick: Die Kette ein bisschen zurückdrehen, um die Spannung von der Kette zu nehmen. Das neue Kettenschloß dann "von hinten" einschieben (Spitzzange) und dabei das alte Schloss rausdrücken. Bei entspannter Steuerkette geht das ganz einfach.
- Kette so schließen, dss das Schloss in Laufrichtiunmg geschlossen ist. In der 11-Uhr-Position "schwimmt der Fisch nach oben".
- Den Kabelbinder am rechten Spanner entfernen. Testen, ob sich der Kolben frei bewegen kann.
- Den "anderen" Kettenspanner montieren. Vorspannung: Maximal 0.5 mm.
- Den Motor ein paarmal durchdrehen und schauen, ob sich alles frei bewegt ... und ob die Markierungen auf den Zahnrädern noch übereinstimmen. Wenn's klemmt, ist die Nockenwelle versetzt - Gefahr für die Kolben und Ventile!
- Den alten Simmerring um den Lichtmaschinenrotorkonus im Steuerkettendeckel entfernen (vorher Einbautiefe merken, dann mit einer grossen Stecknuß vorsichtig austreiben) und den neuen Dichtring sinngemäß umgekehrt eintreiben.
- Die neue Kettenkastendichtung aufsetzen. Im oberen Teil gibt es einige Schrauben, die ebenfalls so eine Dichtung brauchen (sonst könnte sich der Deckel verziehen) - am einfachsten schneidet man hier zwei passende Stücke aus der alten Dichtung aus und verwendet diese.
- Nun den Kettenkastendeckel in der Gegend um den Konus (und um die vorher ersetzte Dichtung) mit dem Fön erhitzen, dann den Deckel wieder aufsetzen.
- Mit den 12 Schrauben zunächst lose befestigen, dann "von innen nach aussen" festziehen.
- Ein paar lockere Schläge mit dem Plastikhammer auf den Deckel um den Konus sorgen dafür, dass sich der Lagersitz entspannt.
- Zündauslöser einsetzen. Er kann nur in einer Richtung montiert werden; das Kabel kommt etwa in Position "2 Uhr" heraus.
- Zündkabel wieder anschliessen. Kabelbinder.
- Diodenplatte zunächst "fliegend" anschliessen: Ein schwarzes Kabel zum Starter-Relais, drei "dicke" zum Lichtmaschine (U, V, W), und das blaue Kabel an "DF" auf der Rückseite der Diodenplatte. Sicherstellen, dass B+ gegen Masse isoliert ist.
- LiMa-Rotor und -Stator einsetzen.
- Das dicke schwarze Kabel (ca. 20 cm) zwischen D+ auf der Diodenplatte und dem Stator anschliessen. Das dicke, rote Kabel geht auf B+. Alle anderen Kabel, die ich gerade vergessen habe ;-), auch noch anschliessen.
- Diodenplatte anschrauben.
- Zündkerzen, Anlasserdeckel und Luftfilter montieren.
- Auspuffanlage montieren. Sternmuttern mit Kupferpaste oder "Optimol TA" montieren und mit ca. 100 Nm anziehen.
- Nochmals alle Verschraubungen und Kabel prüfen.
- LiMa-Deckel montieren.
- Aufräumen. Sind irgendwelche Teile liegengeblieben? Hoffentlich nicht ...
- Motor anlassen. Das Atmen nicht vergessen ;-)
- Warmfahren und die Zündung neu einstellen.
- Viel Spass!
Ergänzung von E.Börner:
bei den 2-Ventilern mit Duplex ist es nicht möglich, das Kettenschloss von hinten, das heißt Motorseite, einzuschieben. Jedenfalls nicht bei meiner R90S. Es müssen die Wellen ganz oder teilweise herausgezogen werden. Oder auch hier ein Simplex-Schloss eingezogen wegen.
mfg
börner