Damit bei allen Betriebstemperaturen die Ventile vollkommen schließen, ist ein gewisses Spiel zwischen den Ventilen und den Kipphebeln nötig.
Weil sich Kopf (Al) und Ventile(St) unterschiedlich dehnen, verringert sich das Ventilspiel umso mehr je heisser der Motor wird.
Für alle mir bekannten BMW 4V Motoren gelten folgende Werte:
Einlass: 0,15 mm; Auslass 0,30 mm Spiel.
Man kann diese Werte akademisch betrachten und versuchen sie auf das µ genau einzustellen. Blöd ist nur wenn die verwendeten Materialien von Kopf und Ventil nicht ebenfalls derart exakt reagieren :-).
Bei Nennmass 0,15 ist es egal ob das Spiel 0,13 oder 0,17 ist. Ich bezweifle sogar ob die Mehrzahl der Lehrenblätter derart genau hergestellt ist (die Folien der Werkzeugmacher stimmen!).
Ventilspiel zu gross
Der „Anlaufbereich“, kritischster Teil der Nockenwelle, der auf eine möglichst sanfte (naja) Beschleunigung abgestimmt ist wird nicht genutzt. Hier dreht die Nocke noch ohne Widerstand. Erst an einer dafür eigentlich nicht mehr ausgelegten Stelle tritt die Nocke gegen die Kraft der Ventilfeder an. Durch die ruckartige Beschleunigung an der falschen Stelle verschleisst die Nockenwelle mehr als üblich.
Das Ventil öffnet sehr spät, nicht optimal weit und schliesst früher als gewollt. Es geht Leistung verloren weil zu wenig Gemisch in den Brennraum strömen kann.
Ventilspiel zu klein
Das Material des Ventils wird sich so stark dehnen, dass dieses nicht mehr vollkommen schliesst wenn es heiss ist. Da gibt es zwei Effekte. Zum Einen entweicht ein Teil des Verbrennungsdrucks über den verbliebenen Spalt. Es geht Leistung verloren. Zum Anderen beschädigen die heissen Verbrennungsgase Ventil und Ventilsitz. Beide verbrennen im wahrsten Sinn des Wortes. Stärker betroffen ist das Ventil weil es seine Wärme zum grossen Teil normalerweise über den Kontakt zum Ventilsitz abführt. Leider verstärkt sich dieser Effekt im Lauf der Zeit.
Ventilspiel einstellen - wesentliche Bauarten
Es gibt im Kfz-Bereich etliche unterschiedliche Konstruktionen um das Ventilspiel einzustellen.
Hydrostössel sind üblich bei „normalen“, aktuellen Motoren. Im Prinzip sind es kleine Hydraulikzylinder die durch den Öldruck den Raum zwischen Nockenwelle und Ventil überbrücken. Aufgrund der schnellen Bewegung, der Trägheit des Öls und der kleinen Zulaufbohrung sind die eigentlich offenen Zylinder im Betrieb so steif, dass sie die Kraft der Ventilfedern nicht zusammendrückt.
Bei dieser Bauart ist das Ventile einstellen überflüssig (erfolgt automatisch).
Exakte „Beilagen“ sind eine weitere Variante.
Bei vielen Japanern sind das „Shims“ (=Plättchen)
Bei den neueren BMW (wie bei den DOHC Köpfen der 1200 ab 2010) sind es unterschiedlich weit angeschliffene „Kugeln“.
Drückt die Nocke auf den Schlepphebel so schwenkt dieser um seinen Drehpunkt.
Die flache Stelle der „Kugel“ (wenn es eine Kugel wäre könnte sie an keiner Stelle flach sein :-) ) liegt auf dem Ende des Ventilschafts auf und drückt diesen nach unten. Dabei verdreht sie sich geringfügig in ihrer Lagerung und gleitet auch etwas über das Ende des Ventilschaftes.
Stellschrauben
sind die vermutlich älteste Variante dies zu tun.
Alle Mechaniken betätigen die Ventile nicht exakt symmetrisch sondern etwas versetzt zur Längsachse. So wird das Ventil dabei geringfügig gedreht. Das ist ein erwünschter Effekt um zu verhindern, dass das Ventil immer genau gleich auf den Ventilsitz aufschlägt. Dabei wirbelt das Ventil nicht wie ein Propeller um seine Längsachse sondern dreht sich pro Hub um vielleicht 1/1000 Umdrehung. Hydrostössel haben teilweise eine Art Drehmechanismus eingebaut.
Weshalb haben Motorräder nicht immer Hydrostössel?
Ganz einfach: Hydrostössel sind schwer und man möchte möglichst wenige bewegte Massen haben. Die Methode mit Schlepphebeln ist leicht, drehzahlfest und relativ einfach.
Ventilspiel messen
Die Messung erfolgt indirekt (durch Vergleichen)
Die Kurbelwelle wird auf Z-OT positioniert (siehe oben), mit Fühllehren wird die Distanz (=“Luft“) zwischen oberem Ventilende und Stellschraube, bzw. zwischen Nockenwelle und Kipphebel/Tassenstössel (bei 1200/10 oder „Shims“) ermittelt.
Die Lehre sollte „saugend“ durchpassen
Saugend bedeutet, dass die Fühllehre, würde man die Anordnung senkrecht betrachten und der "Elefantenfuss" nicht kippen, durch ihr Eigengewicht "gerade nicht mehr" aus dem Spalt rutschen sollte. Man sollte sie mit zwei Fingern ohne grossen Kraftaufwand durchziehen können.
Nachdem man „saugend“ nicht wirklich verbal beschreiben kann, ist es sinnvoll sich das einmal von einem „Wissenden“ zeigen zu lassen.
Beispiel bei einem SOLL-Wert von 0,15:
Passt das Lehrenblatt 020 zu leicht, das 015-er sehr leicht durch den Spalt so sollte das Spiel um 0,02..0,03 mm verringert werden.
Ventilspiel einstellen
Shim oder „Kugel"
sind auszubauen, zu messen und durch ein 0,02…0,03mm dickeres Exemplar zu ersetzen
Einstellschraube
Kontermutter lösen
Der Innensechskantschlüssel hat in der Schraube etwas Luft. Beim Lösen der Mutter bringt man ihn deshalb zuerst im Uhrzeigersinn „auf Anschlag“ (1) und hält ihn in dieser Lage fest (merken wo!). Dann wird mit dem Ringschlüssel die Mutter nur so weit gelöst (gegen den Uhrzeigersinn), dass sich die Schraube schwer aber ohne Gewalt verstellen lässt (2). Unter Umständen bewegt man dabei den Innensechskantschlüssel (deshalb „merken“:-) ).
Möchte man das V-Spiel verringern kann man sofort nach dem Lösen der Mutter die Schraube definiert eindrehen weil der Innensechskantschlüssel ja noch auf „Spannung“ ist.
Beim Einstellen mit der Schraube hilft eine kleine Schätzung.
Alle mir bekannten Ventileinstellschrauben haben die Steigung 0,5 mm, also 50/100 mm "Hub" pro Umdrehung.
Nimmt man in Gedanken das Zifferblatt einer Uhr als Hilfe, so entsprechen 60 Minuten diesen 50/100 mm. Legt man die Genauigkeit mit der die gewünschten 0,02..0,03 mm "ermittelt" (geschätzt) wurden zugrunde kann man sagen, dass 1,2 „Uhrenminuten“ etwa 0,01mm Verstellung entsprechen.
Für das Beispiel mit 2..3/100 „weniger“ kann man also die Schraube max. um ca. 2,4…3,6 „Minuten“ (ein)drehen.
Kontermutter festziehen.
Beim Festziehen der Mutter bringt man den Innensechskantschlüssel gegen den Uhrzeigersinn „auf Anschlag“ (3) und kontert dann mit dem Ringschlüssel die Mutter im Uhrzeigersinn(4).
Nur diejenigen mit absolut zu viel Geld besitzen einen Drehmomentschlüssel mit Durchgang und können mit diesem festziehen während sie an der Schraube gegenhalten. Die Einstellschrauben haben ein Feingewinde und sind sehr schnell „fest“ (danach kommt, wie häufig erwähnt, „ab“). Die Einstellschrauben mit ihrem Elefantenfuss sind absolut sch… zu wechseln, also Zurückhaltung!
TIP: Hat man gerade die Kontermutter gelöst, die Einstellschraube ist noch in Position und auch die Stellung der angezogenen Mutter ist noch im Bewusstsein, dann zieht man die Mutter noch mal in genau die Stellung in der sie vorher war (Innensechskantschlüssel vorher vorsichtig auf Gegenanschlag!) und gewinnt so ein Gefühl für das richtige Drehmoment. Aus gleichem Grund verwende ich einen ganz einfachen Innensechskantschlüssel und keine Miniratsche mit 6-kant-Einsatz oder Ähnliches mit verfälschenden „Steckwackelpassungen“.
Letztlich braucht es einfach etwas Übung oder einige Versuche um schnell ein akzeptablen Ergebnis zu erreichen. Niemand mit einiger Erfahrung wird grossartig überlegen oder rechnen um mit der Schraube einzustellen.
Bei meiner eigenen Maschine würde ich bei 2/100 beschliessen „das mach‘ ich beim nächsten Mal“ :-)
Die Ventilpaare gleichzeitig mit 2 Lehren einstellen?
In verschiedenen Publikationen lese ich immer wieder man solle, wenn man eines der durch einen gemeinsamen Kipphebel betätigten Ventile eingestellt hat, ein Lehrenblatt eingeklemmt lassen, weil dann das andere Ventil genauer eingestellt werden könne.
Dass man dann zwei Einstellehren braucht oder zumindest von den 015 und 030 Blättern jeweils ein Stückchen abschneiden muss sind die geringsten Probleme.
Was ist der Hintergrund?
Angeblich hat das Spiel zwischen der Lagerachse und dem entsprechenden Kipphebellager grossen Einfluss.
Nehmen wir das maximale Spiel gemäss der Werksangaben. Die Bohrung hat ein Mass von 16,016-16,027 mm, die Welle misst 15,973-15,984 mm. Die maximale Differenz ist also (16,027 – 15,973)mm d.h. 0,054 mm. Natürlich kann die Lagerung auch ausgeleiert sein. In diesem Fall hilft aber kein „Einstellhokuspokus“ sondern eine Reparatur!
Betrachten wir das anhand der Grafik
Rechts stützt sich der Kipphebel auf der Nockenwelle (oder deren verlängernden Elementen wie Stössel etc) auf dem Bezugspunkt „N“ ab, auf der linken lagert er aufgrund der dazwischen geklemmten Fühllehre (grün) spielfrei auf dem Ventil Vo oder Vu. In der Mitte dreht er sich um seine Achse (schwarz).
Stellt man zuerst Vu ein,
so eliminiert man das Spiel der Kipphebelachse weil beim Einstellen der Kipphebel nach oben gedrückt wird und so an der unteren Achsseite anliegt. Der Drehpunkt verschiebt sich zwar nach unten (max. um „volle“ 5/100mm :-) ), doch das stört nicht. Das geforderte Ventilspiel von 0,15 mm (Lehrenblatt grün) setzt sich also zusammen aus ca. 0,054 mm „echtem“ Spiel x 2 (doppelte Entfernung vom Bezugspunkt N = doppeltes Spiel) plus 0,042 mm an der Schraube eingestelltem Spiel. Ob es die exakt doppelte Entfernung ist spielt beim Vergleich keine Rolle.
OK, stellen wir das andere Ventil (Vo) ein.
Beim Einstellen von Vo MIT bei Vu eingeklemmter Lehre gibt es zwei Möglichkeiten.
1.1) Der gemeinsame Kipphebel ist nur am Drehpunkt „b“ an die Achse gedrückt und Drehpunkt „a“ liegt noch oben auf der Achse auf.
Stellt man jetzt Vo mit bereits bekannter Prozedur ein, wird die Mitte des Kipphebels von unten an die Achse gedrückt werden. Die philosophische Frage ob dabei Drehpunkt „a“ dann weiterhin oben aufliegt möchte ich unbeantwortet lassen.
1.2) Der gemeinsame Kipphebel ist an beiden Enden an seine Achse gedrückt weil der Drehpunkt Vu/N der Verbindung Vu<>N nicht am äussersten Ende des Kipphebellagers liegt und somit auch Drehpunkt „a“ beim Einstellen von Vu bereits von unten an die Achse angelegt wurde. Es ändert nichts an der Einstellprozedur für Vo.
Beim Einstellen von Vo OHNE bei Vu eingeklemmter Lehre gibt es wider zwei Möglichkeiten.
2.1) Der gemeinsame Kipphebel wird nur an einem Drehpunkt“a“ oder „b“ an die Achse gedrückt und die Mitte hängt in der Luft. Weshalb sollte sie das tun? Zwar muss man beim Einstellen von Vu nach dem Hebelgesetz nur das halbe Kipphebelgewicht heben und bei Vo (bei der vorliegenden Geometrie) das gesamte, aber in der Praxis ist das kein Unterschied.
2.2) Der gemeinsame Kipphebel wird in seiner Mitte an die Achse gedrückt und so liegt er in der gesamten Länge von unten an dieser an. Jetzt besteht aber kein praktischer Unterschied zu 1.x
ERGO:
Theoretisch könnten sich Unterschiede ergeben wenn man jegliche (Un-)Wahrscheinlichkeit bei gleichzeitig maximalen Toleranzen betrachtet.
Praktisch ist es überflüssiger Aufwand weil kein Mensch derart genau einstellen kann, dass die ohnehin geringen theoretischen Unterschiede zum tragen kommen.
Links
Ventileinstellung
4V0 Ventilspiel einstellen
4V0 Kurbelwelle-drehen-und-positionieren