Zur routinemäßigen Wartung eines 4V-Boxer gehört es ca. alle 10000km das Ventilspiel zu prüfen bzw. einzustellen.

Prüfung und Einstellung erfolgen bei maximal handwarmen Motor (unter 35°C).

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Vorgehen
Die Kerzen(spulen)stecker an beiden Zylindern ziehen. Wenn irgendwie möglich die Kerzenschächte mit Pressluft (Fussballpumpe) ausblasen und erst dann die Zündkerzen rausdrehen (bei den DZ reicht es die Primärkerzen zu entfernen). Durch die Rippen des Kopfes kann Dreck bis zu den Kerzen gefallen sein und beim Wiedereinschrauben der Kerzen zwischen die Dichtung geraten oder in den Brennraum fallen.
Bei den DZ reicht es die Primärkerzen zu entfernen.

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Beide Ventildeckel abbauen. Dazu die jeweils 4 Schrauben ausschrauben. Die Schrauben brauchen nicht herausgenommen werden sondern „hängen“ in ihren Gummidichtungen. Meist kleben die Deckel fest und können durch einen Faustschlag parallel zur Dichtung gelöst und dann in Kerzenrichtung abgenommen werden (wenn die Haut aufplatzt, wurde zu stark geschlagen :-) oder die Schrauben sind noch fest). Jetzt trieft es etwas.
Deshalb vorher ein Auffanggefäss unterstellen um ein paar Esslöffel in den Köpfen verbliebenes Motoröl aufzufangen. Die winzige Menge reicht aus (m)einen Garagenboden intensiv zu versauen :-(.
Die Dichtung abnehmen (braucht normaler Weise nicht erneuert zu werden!!).
Das Ende des im Deckel integrierten Kerzenschachtes hat eine eigene Dichtung. Falls sie im Kopf hängengeblieben ist: herausnehmen und auf den Schacht am Deckel stecken.

Theoretisch könnte man auch erst jetzt die Kerzen herausschrauben, praktisch könnten sie aber bereits durch die vorhergehenden Arbeiten beschädigt worden sein. Müssen die Kerzen überhaupt raus? Jein, aber: Bei der Gelegenheit kann man den Zustand der Kerzen beurteilen, sie werden nicht versehentlich beschädigt, sie werden nicht mit Öl versabbert, und die Kurbelwelle lässt sich leichter drehen weil man nicht gegen die Kompression kämpfen muss.

Zum Einstellen müssen die Ventile geschlossen, die Ventilbetätigungsmechanik muss entlastet sein. Die Nockenwelle (und ihre Folgemechanik) darf also auf kein Ventil drücken. Ganz sicher ist das der Fall wenn der Kolben des jeweiligen Zylinders im oberen Totpunkt (Zünd-OT) steht.
Um „auf OT zu stellen“ entfernt man -gemäss gängiger Beschreibung- den Gummistöpsel zwischen Motor und Getriebe, dreht den Motor von Hand durch und bricht sich fast ein Auge ab um die in dem kleinen Loch vorbeihuschende OP-Marke nicht zu verpassen. Abgesehen davon, dass es kein Profi so macht, Ersttäter sich wundern, dass die Ventile keineswegs entlastet sind (weil sie am falschen Zylinder schauen; beim anderen stimmt es), und beim Wiedereinbau des Stöpsels dieser gerne in den Tiefen der Öffnung verschwindet, ist eine andere Methode viel einfacher.

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Dazu erst mal ein kleiner Exkurs:
Anhand der Grafik erkennt man, dass beide Ventile von ca. 220° bis 520° Grad geschlossen sind. Das aber entspricht grob gesagt 0,75 Kurbelwellendrehungen! Deshalb genügt es vollkommenden den entsprechenden Kolben nur ungefähr auf OT zu stellen.
Am einfachsten ist es, bei ohnehin abgenommenen Ventildeckeln, zu beobachten wann Aus- und Einlassventile gleichzeitig geschlossen sind. Durchdrehen muss man den Motor ohnehin! Anfänger drehen eben einmal öfter durch und beobachten dabei die Ventile. Indiz: Steht die Kurbelwelle in der richtigen Stellung (und ist das Ventilspiel nicht absolut zu gering), dann fühlt man dass sich der Kipphebel von Hand bewegen lässt („klappert“).
Alternativ steckt man ein etwa 25 cm langes Rundhölzchen oder einen Kunststoffstab in das Kerzenloch. Der sich in Richtung OT bewegende Kolben schiebt es nach aussen. Wird es nicht weiter nach aussen geschoben ist ein OT erreicht. Der Zünd-OT ist es wenn sowohl Ein-wie auch Auslassventile geschlossen sind. Natürlich kann man auch einen langen Schraubendreher oder eine Rundfeile verwenden doch je härter und rauer das Material desto eher wird das Kerzengewinde Schaden nehmen.  
Wer nicht erkennt wann diese doch sehr „weite“ Position erreicht ist sollte die Finger von dieser Arbeit lassen.
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Generell zum „Durchdrehen“: Gedreht werden kann auch indem man das Hinterrad des auf dem Hauptständer stehenden Moppeds bei eingelegtem 4-ten oder 5-ten Gang in Fahrtrichtung dreht

(wer Kraft hat kann auch den ersten Gang nehmen).

Etwas aufwendiger --aber einfacher zu drehen-- ist es, wenn man den Frontdeckel abbaut und die Kurbelwelle an der Befestigungsschraube der unteren Riemenscheibe dreht (Getriebestellung „neutral“). Die hat die unübliche Schlüsselweite 16mm!
Gedreht wird, egal wie, von vorne gesehen, AUSSCHLIESSLICH im Uhrzeigersinn. Nie rückwärts drehen (auch nicht am Rad!) weil sich dabei die Steuerketten „verhängen“ könnten!
TIP: Es geht besser wenn die Maschine auf dem Seitenständer steht!
Wie man „auf Dauer“ bequemer an der Kurbelwelle drehen kann ist im Link „4V-Kurbelwelle-drehen-und-positionieren“ beschrieben.


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Ventilspiel prüfen
Ersttäter lesen an dieser Stelle bitte zuerst weiter bei Link Ventileinstellung_Theorie
Bei geschlossenem Ventil muss zwischen dem Ende des Ventilschafts und dem wackeligen „Elefantenfuss“ am Kipphebel ein Spalt (=“Luft“) sein. Hier wird das Lehrenblatt dazwischengeschoben und muss plan auf dem Ende des Ventilschafts aufliegen.

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Einige Probleme / Besonderheiten
Baulich bedingt kann man nicht alle Ventile einwandfrei erreichen. U.U. wird man das Lehrenblatt biegen müssen. Das sollte mit den Fingern geschehen und nicht durch Verkanten im Messspalt.




Für alle mir bekannten BMW 4-V Motoren gilt: Einlass: 0,15 mm; Auslass 0,30 mm Spiel.
Bei z.B. Spiel 015 sollte das Lehrenblatt 010 widerstandslos, das 020-er nur mit zumindest sanfter Gewalt, das 015-er „saugend“ durch den Spalt passen.
Generell kann man bei den 11x0 und1200 das Spiel „knapp“, also am unteren Rand der Toleranz einstellen.

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Ventilspiel mit Stellschrauben einstellen
Dazu wird die Kontermutter SW10 gelöst und die Einstellschraube soweit verdreht, bis zwischen Kipphebel und Ventil das entsprechende Maß eingestellt ist. Nun die Kontermutter wieder festziehen und dabei an der Einstellschraube gegenhalten um ein Verstellen zu vermeiden. Auch für Praktiker könnte der Link Ventileinstellung jetzt doch interessant sein.
Anschließend das Ventilspiel noch mal kontrollieren.

Um den anderen Zylinder einzustellen ist die Kurbelwelle um eine Umdrehung zu drehen (auf den „anderen“ Zünd-OT).

Bei den  R1200xx/10 mit Schlepphebeln
mit obenliegenden Nockenwellen ist das etwas anders.
Es gibt keine Einstellschrauben. Wie in der Grafik zu sehen wirken die Nocken auf Schlepphebel. An deren Unterseite sind an einer Seite flach angeschliffene „Kugeln“ eingelassen die den Job der alten „Elefantenfüsse“ übernehmen.

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In der Skizze sind die beiden Endlagen des Ventils zu sehen.
Drückt die Nocke auf den Schlepphebel so schwenkt dieser um seinen Drehpunkt.
Die flache Stelle der „Kugel“ (wenn es eine Kugel wäre könnte sie an keiner Stelle flach sein :-) ) liegt auf dem Ende des Ventilschafts auf und drückt diesen nach unten. Dabei verdreht sie sich geringfügig in ihrer Lagerung und gleitet auch etwas über das Ende des Ventilschaftes.
Das Ventilspiel wird mit Ventillehren zwischen Nockenwelle und Schlepphebel ermittelt (geprüft). Die Einstellung erfolgt allerdings nicht wie bisher an einer Schraube sondern durch Ausbau des Schlepphebels und Wechsel der Kugel (messen) gegen ein Exemplar mit anders angeschliffener Fläche.
Die Kugeln gibt es mit Nennmassen von 4,60 bis 5,70 mm (je 4,60 EUR). Sollte die Lagerkuhle der Kugel defekt sein ist ein Schlepphebel fällig (je 76 EUR). Die Hebel werden allerdings schon sei längerer Zeit in etlichen anderen Maschinentypen (K29 (R1200S, HP2Sport); K40 (K1200S, K1300S); K43 (K1200R, Sport, K1300R); K44 (K1200GT, K1300GT); K71 (F800S, F800ST), K72 (F650GS, F800GS), K73 (F800R), K16 (G450X)) verwendet so, dass die Kinderkrankheiten beseitigt sein sollten
Die Schlepphebel sind recht leicht auszubauen da sie nur mit einer Sicherungsscheibe DIN 6799 befestigt sind.
Also: 1. Ventilspiel messen, falls unpassend 2. Kugel ausbauen und messen, neues Kugelmass anhand der Messungen 1&2 bestimmen, passende Kugel kaufen und alles wieder zusammenbauen.


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Deckel festschrauben
Die Ventildeckel an den Dichtflächen mit Öl benetzen, aufstecken. Die runde Dichtung (ölen!) auf dem Kerzenschacht bietet einen kleinen Widerstand und daher muss vielleicht sanft geklopft werden (Mädchenhände!) und festschrauben. Musste weniger sanft geklopft werden (Grobschlosser) war u.U. die kleine runde Dichtung schief angesetzt oder wurde doch vorher im Kopf vergessen und ist jetzt „zerschraddelt“. Sie ist zwar nicht teuer (etwa 2 EUR), aber man hat grad’ keine zur Hand :-); also Vorsicht!
Weil es so beliebt ist die entsprechenden Gewinde auszureissen gibt es einen eigenen Beitrag „4V Ventildeckel festschrauben“ (Link unten)

Kerzen einschrauben
Anziehdrehmoment bei kaltem Motor
Achtung: Die Gewinde fast aller Zündkerzen sind vernickelt. Dadurch wird ein »Festfressen« der Zündkerze im Zylinderkopf zuverlässig verhindert. Das Gewinde also in keinem Fall ölen oder (auch nicht mit Cu-Paste!) fetten!
BMW: Zündkerzen, neu 30 Nm; gebraucht 20 Nm
NGK: Anzugsmomente Primärkerze = Flachdichtsitz; 14 mm: 25-30 Nm (die Standardkerzen bei BMW :-) )
BERU: Zum Installieren neuer Zündkerzen ohne Drehmomentschlüssel diese zuerst handfest bis zum Anliegen des Dichtringes montieren (keine Montagepaste erforderlich) und dann mit einem Zündkerzenschlüssel 1/2 (gebraucht) bis 2/3 (neu) Umdrehungen weiterdrehen.

Kerzenstecker wieder aufsetzen (schnappt!)


Links
Ventileinstellung_Theorie
4V Ventildeckel festschrauben
4V Ventilspiel einstellen
4V-Kurbelwelle-drehen-und-positionieren