Der eigentliche Zündvorgang
Die Vorstellung ist landläufig so, dass zum Zündzeitpunkt der Zündfunke das Luft/Benzingemisch entzündet und dann quasi eine Sprengung erfolgt, das Gemisch ohne jeglichen Zeitbedarf explodiert. Für uns sieht das vielleicht so aus weil wir uns bereits „0,008, also 8ms pro Umdrehung“ nicht wirklich vorstellen können. Für derartig kleine Zeitspannen ist unser Empfinden nicht eingerichtet.
Also betrachten wir das geschehen am Ende des Verdichtungstaktes quasi in Zeitlupe und unter dem Mikroskop:
Im Zylinder ist ein Luft/Benzingemisch. Der Kolben schiebt es in Richtung Zylinderkopf, es wird gerade zusammengepresst. Es ist weder optimal homogen (also Benzin und Luftmoleküle sind nicht gleichmässig verteilt) noch ruhig (es wirbelt „wie Sau“).
Das Gemisch ist verdichtet, schon deshalb relativ heiss, und wird gezündet.
Was passiert bei der Zündung?
Das gleiche wie in einem Holzofen! Legt man einen brennenden Anzünder rein und etwas Holz darauf, dann dauert es eine bestimmte Zeit bis das gesamte Holz brennt.
Auch eine schnelle Verbrennung, also --wenn man unbedingt will-- eine Explosion im Zylinder braucht seine Zeit. Das nennt man Reaktionsgeschwindigkeit oder auch Flammenausbreitungsgeschwindigkeit. Diese ist abhängig vom Gas-Luft-Gemisch, Druck, etc. und beträgt einige Meter pro Sekunde (25…35m/s). Aber sie ist nicht unendlich schnell :-) !
Sobald das Gasgemisch zu brennen beginnt steigt der Druck im Zylinder, das brennende Gas versucht sich auszudehnen und schiebt dabei den Kolben in Richtung Kurbelwelle.
Betrachtet man den Zeitabschnitt des Zünd- und Brennvorgangs (also nur einige Millisekunden) derart detailliert, stellt man fest, dass der Zündzeitpunkt gar kein Punkt sondern eher eine (winzige) Zeitspanne ist.
Würde das Gemisch explodieren und nicht verbrennen, hiesse ein Verbrennungsmotor auch „Explosionsmotor“
Zündzeitpunkt
Wird das Gas exakt im OT gezündet und dauert es „seine Zeit“ bis es brennt, ist allerdings der Kolben bereits auf dem Weg zur Kurbelwelle und ein Teil des entstehenden Gasdrucks ist nutzlos.
(zuend04)
Also besteht die Kunst darin das Gasgemisch bereits so weit vor dem OT zu zünden, dass es im OT „gut brennt“ und bereits den optimalen (nicht den maximalen!!) Druck aufgebaut hat um den Kolben maximal zu beschleunigen.
Zündet man zu früh, dann behindert der bereits zu stark ansteigende Gasdruck den noch in Richtung Zylinderkopf schiebenden Kolben, der Motor klopft! (Klingeln dagegen entsteht bei Selbstentzündung!)
Das Gemisch braucht etwa 1…2 ms bis es so brennt um den optimalen Druck zu erreichen (vollständig verbrannt ist es da noch nicht!). Also muss man 1ms vor OT zünden!
Im Leerlauf bei 900 min/1 entspricht das 360 Grad / 66ms = 5,45 Grad/ 1ms, bei 7200min/1 dann 360/8 = 45 Grad/ms. Das besagen auch die bekannten Angaben zur Frühzündung! In der Praxis zündet man dann im Leerlauf zwar bei ca. 0 Grad oder noch später und verschenkt Leistung zugunsten anderer Vorteile. Auch die Frühzündung ist zumeist zugunsten einiger anderer Parameter auf z.B. 40 Grad begrenzt.
Zündfunke
Für den Zündfunken gibt es mehrere Philosophien
Doppelzündung
Aktuelle Doppelzündungen mit zwei getrennten Kerzen sollen das eher magere, alte DZ ein eher fettes Gemisch sauber zünden.
Ihr sauberes Funktionieren ist stark abhängig von der richtigen Positionierung der beiden Kerzen.
Deshalb bemüht man sich aktuell um lang andauernde Zündfunken oder zündet teilweise sogar mehrfach mit der gleichen Kerze. Früher war ein heisser, wenn auch kurzer Zündfunke sinnvoll weil die Motoren eher „fett“ eingestellt waren.
Lang anhaltender Zündfunke
Die eine besagt, dass der Zündfunke für eine zuverlässige Zündung ausreichend stark und „lange brennen“ (dabei sind 0,5 bis 2ms gemeint!) muss um auch bei ungünstigen Konstellationen (Gemisch fett / mager) eine zuverlässige Durchzündung das Gemisches zu erreichen. Durch die Turbulenzen im Brennraum, werden Verbrennungen durch einen Funkenüberschlag zwar begonnen, dann aber tatsächlich wieder ausgeblasen. Ist der Funke vorbei, war’s das in diesem Fall (Verbrennungsaussetzer). Mit einem „lange“ brennenden Funken, kann das Gemisch ein zweites Mal entzündet werden.
Die Verbrennungsaussetzer betragen bei hohen Drehzahlen übrigens bis zu 5% aller Zündvorgänge. Da sie unregelmäßig und vereinzelt auftreten werden diese Aussetzer vom Fahrer nicht wahrgenommen.
Sollten 0,1 ms oder einige Nanosekunden ausreichen, macht man mit 1 ms dennoch nichts falsch?
Hochenergetischer, kurz andauernder Zündfunke
Die andere sagt, dass es eines möglichst kurzen aber intensiven Funkens bedarf und spricht von einigen Nanosekunden Brenndauer. Erzeugt wird diese Funkenart durch spezielle Zündkabel.
Wie sich dazugehörige Aussagen der „normale Funke habe ca. 1000 bis 1500 Grad (BOSCH spricht von 3500 Grad), der kürzere aber 55 000 Grad herleiten oder gar beweisen lassen kann ich nicht nachvollziehen.
Die Behauptungen der Funke habe mehr Leistung und das Gemisch würde schneller gezündet sind schlicht und ergreifend falsch. Bestenfalls gibt der Funke seine Leistung in kürzerer Zeit ab, ist also energiereicher.
Das entzündete Gemisch aber brennt nach seiner Entzündung unabhängig von der Funkenart ab weil dieser die Flammausbreitungsgeschwindigkeit nicht beeinflusst. Demnach ist auch die Behauptung der Zündzeitpunkt wäre exakter nicht haltbar. Möglich ist, dass ein energiereicher Funke das „Anzünden“ verbessert.
Die Behauptung „Manche Hersteller wollen einem Glauben machen, dass eine längere Brenndauer die Zündleistung erhöht.“ ist dann korrekt wenn das tatsächlich jemand sagt. Ich kenne keinen seriösen Hersteller der solche Behauptungen aufstellt ohne Randbedingungen zu nennen. Bleiben Zündspannung UND Zündstrom gleich UND verlängert man die Brenndauer (wie?), dann steigt auch die Zündleistung. Wenn, dann erhöht ein länger andauernder (ausreichend starker) Zündfunke die Zündsicherheit.
Die Behauptung „Je kürzer und intensiver ein Zündfunke ist, umso positiver wirkt er sich auf die Verbrennung und somit auch auf die Leistungsentfaltung des Motors aus“ wird nur vom Hersteller spezieller Zündkabel gestützt.
Dessen folgende „Rechnung“ ist leider keine Rechnung sondern nur stark irreführend:
„Folgende Zahlen mögen die Leistungsstärke (das Leistungsvermögen) von "xxxx" belegen: Ein herkömmlicher Funke hat eine mittlere Temperatur von 1.000 bis 1.500°C bei einem Zündstrom von 0,1 Ampere. Die Zündleistung beträgt 300Watt. Der "xxxx"-Funke erreicht dagegen eine Temperatur von über 55.000°C bei einem Zündstrom von 1.000 Ampere. Die Zündleistung beträgt nun 100.000Watt.“
Die angegebene, irrsinnig hohe Temperatur ist unbewiesen, ein kausaler Zusammenhang zwischen den angegebenen Zahlen existiert nicht.
Die Zündleistung ist relativ nichtssagend, interessanter ist die Zündenergie
Bei einer herkömmlichen Zündung fliessen nicht 0,1 A sondern 0,008 A. Nehmen wir aus der Rechnung bei „Zündanlage“ die Spannung von 36 000 V, so erhalten wir 288W. Leistungsmässig also passend.
Unterstellen wir eine Funkendauer von 1ms und fragen nach der Energie, dann sind das 0,288Ws.( Leistung P=U*I; Energie = Leistung *Zeit). Auch beim kurzen Funken ändert sich die Zündspule nicht! Also drehen wir die Rechnung um (Energie / Zeit = Leistung)
0,288 / 0,000000004s (4 Nanosekunden) = 57 000 000 Watt. Teilen wir dieses Ergebnis durch die von der Zündspule erzeugte Spannung von 36000V ist das Ergebnis ca. 1600 A. Die Grössenordnungen passen also.
Wenn evtl. die Spannung durch das Spezialkabel angehoben wird (55000 V) verringert sich der Strom dementsprechend (1000 A).
Entscheidend bei dieser Betrachtung ist die Energie! Zwar steigt die Leistung an, steht aber dafür nur für einen winzigen Moment zur Verfügung!
Sollte sich, aus welchem Grund auch immer, das Gemisch in diesen 4 ns nicht entzünden lassen war’s das.
Mehrfachzündung
Wieder andere arbeiten zumindest bei niederen Drehzahlen an einer Mehrfachzündung. Dabei handelt es sich um mehrfache nacheinander erfolgende Zündungen (also keine Doppelzündung mit zwei gleichzeitig erfolgenden Zündfunken). Dies stützt die Theorie des lang brennenden Funkens. Die Einzelfunkenspule ermöglicht kurze Ladezeiten und damit mehrfache Zündungen. Diese werden zur Zeit nur im Leerlauf angewendet. Da hierfür relativ lange Ladezeiten notwendig sind, wird sie wohl auf geringe Drehzahlen beschränkt bleiben. Dabei schwankt die Anzahl der Zündungen im Moment messbar abhängig von der Temperatur, je wärmer desto öfter. Hierbei geht es nicht nur um sichere Zündung in kritischen Zuständen. Auch wenn die erste gelingt, wirken sich die weiteren Zündungen wohl offensichtlich positiv auf die Verbrennung aus.
Funktion
In den BOSCH-FSA-Bildern wird die Primärspannung wie gewohnt zwischen 1 und Masse ermittelt. U-Multi ist die Spannung, die zwischen 4a und Masse gemessen wird. Schaltbild in Bild zuend05.
Wie kann eine Zündung mit einem Schließwinkel von 3 - 4% (!) arbeiten (Mult-zue0x)? Offensichtlich geht es nur mit Einzelfunkenspulen, die eine wohl etwas geringere nötige Aufladeenergie haben. Einen weiteren Grund für den geringen Schließwinkel erkennt man an der jeweils letzten Zündung auf allen drei Bildern. Hier klingt die Sekundärspannung langsam aus, während sie in den ersten Zündungen "gewaltsam" abgeschaltet wird. Es bleibt also eine gewisse Restladung übrig, die für die nächste schnelle Zündung genutzt werden kann.
Wie immer auch
Ob das Gemisch besser durch einen energiereichen aber kurzen Funken, oder durch einen weniger energiereichen aber langen Funken gezündet wird, dürfte in diesem Rahmen nicht eindeutig zu beantworten sein. Zumindest die Auswirkung auf „den exakten Zündzeitpunkt“ sind entweder Wunschtraum oder entspringen wohl eher aus dem Vergleich mit einer schlechten Zündanlage.
Fest steht:
Die Energie kann bei keinem Verfahren unterschiedlich sein. Nur das was in der Zündspule gespeichert ist kann abgegeben werden.
Der Zündspannungsbedarf ist abhängig
vom Kompressionsdruck im Zylinder.
vom Lambdawert des Kraftstoff-Luft-Gemisches.
vom Abstand von Mittel- und Masseelektrode(n).
von der zunehmenden Rundung an der Mittelelektrode.
vom Werkstoff der Mittelelektrode
Ganz sicher ist:
Hat die Zündung absolut zu wenig Energie kann sie auch 2 Stunden werkeln und wird nichts zünden weil sich u. U. nur ein Fünkchen oder gar nix aufbaut. Ein zu müder aber lang anhaltender Funke alter 2V könnte sich mit speziellen Kabeln verbessern lassen.
Der Vergleich mit meinem Ofen:
Aus reiner Erfahrung glaube ich nicht, dass ich mein Holz im Ofen mit einer beliebig heissen Flamme in einer beliebig kurzen Zeit anzünden könnte. Mit einem Gasfeuerzeug braucht es sicherlich einige Zeit. Verwende ich die gleiche(!) Menge Gas (Energie) in einem Schweissbrenner glaube ich kaum, dass es gelingt es zu entzünden. Obwohl die Flamme deutlich heisser ist, dafür aber weniger lang brennt.
Eine Methode die gut funktioniert ist, das Gemisch Luft / Holz homogener zu gestalten also z.B. mit Holzwolle anzuheizen. Auch da bezweifele ich die Methode „kürzer aber heisser“. Lediglich bei Sägespänen mit denen ich eine Staubexplosion erziele dürften alle Methoden klappen. Ist allerdings ein „Luft / Holz Gemisch“ erst mal „entflammt“, wird es ziemlich egal sein ob die Flamme meines Gasfeuerzeugs noch brennt. Diese Gemischverbesserungen haben aber nichts mit der Zündung zu tun sondern erleichtern jeder Art nur die Arbeit.
Vergleiche
Vergleiche sind nur mit jeweils neuen Bauteilen möglich. Neue Komponenten in der Zündanlage werden fast immer Verbesserungen bringen. Daher ist es nicht verwunderlich wenn z.B. Verbesserungen festzustellen sind sobald man 15 Jahre alte Zündkabel gegen (irgendwelche!) neue getauscht hat.
Ergänzung:
Bei der Einführung der Doppelzündung bei den 1150 Boxern war die Begründung „Abgaswerte“. Nachdem aber auch die alten EZ die Vorgaben schafften stand bei uns ein Fragezeichen im Gesicht.
Eine Mailanfrage von Friedrich P. war Grund für einen Test.
Testobjekt ist eine sauber synchronisierte R1150 mit DZ. Der Motor ist warmgefahren, die Zuleitungen zu den Primärkerzensteckern sind abgezogen, die P-Kerzen also ohne Funktion.
Der Motor startet problemlos und läuft stabil und ruhig mit etwa 1000 1/min. Steckt man eine Primärkerze an, wird der Leerlauf etwas schneller aber unruhiger. Steckt man beide Primärkerzen an, läuft er mit knapp 1100 1/min und etwas unruhig.
Erklärungsversuch:
Die Sekundärkerzen scheinen etwas später zu zünden als die Primärkerzen. Arbeiten sie allein, so ist die Leistung geringer weil die Zündung, gemessen an optimaler Leistung, zu spät erfolgt. Der Rundlauf und das Startverhalten sind aber einwandfrei.
Zünden die Primärkerzen zusätzlich, wird das Verbrennungsdruckmaximum etwas nach „früh“ verschoben und es steht etwas mehr Leistung bei geringfügig schlechterem Motorlauf an.
Bei den Sekundärkerzen scheint es sich demnach um eine als Mehrfachzündung ausgeführte DZ zu handeln oder die unterschiedliche Bauart verursacht die kleine Verschiebung.
Links:
Zündanlage Funktion
Zündgeber-Unterbrecher-Schliesswinkel
Zündkabel
Kondensatorzündkabel-im-Eigenbau
Zündzeitpunkt und Zündfunke
Zündwilligkeit, Verbrennung. Kraftstofftyp
Klingeln_Klopfen
Leistung und Zündzeitpunkt
4V1 Hallschrankenplatte (Zündimpulsgeber) R11x0xx justieren
4V1 Kurbelwelle drehen und positionieren
4V1 OT einstellen