Sinnvoll ist es zuerst den Beitrag „Einspritzventil 1“ zu lesen und verstehen.

Das Funktionsprinzip eines Einspritzventils ist bereits bei (Link) „Einspritzventil“ beschrieben.

 

Die prinzipielle Aussage „ein EV kennt nur die Zustände „offen“ bzw. „geschlossen“, die Einspritzmenge wird über die Öffnungsdauer gesteuert“ ist korrekt.

Kurvendiskussion (mit Definitionen)

Dazu zuerst die Erklärung wie ein Einspritzventil angesteuert wird.
Einschaltzeit
Ausgangspunkt (1) ist im Bild das Rechtecksignal des Mikroprozessors (blau gestrichelt). Er hat (egal wie) ermittelt wie lange geschaltet werden muss damit korrekt eingespritzt wird. Das ist durch die Breite des gestrichelten Rechtecks ((1)bis(6)) dargestellt.
Um die Einspritzdüse zur Arbeit zu bewegen schaltet er daher deren Versorgungsspannung (schwarz; (1)) ein
Ausschaltzeit
Danach schaltet er die Spannung eine Zeitlang ab ((6)bis(8)).
Die Taktzeit ((1)bis(8)) ist die Summe aus Einschaltzeit + Ausschaltzeit.
Die Taktrate ist die Anzahl der Taktzeiten pro Minute
Die Versorgungsspannung (Graph schwarz; ob man den Graphen steigend oder fallend darstellt ist nur eine Frage des Messpunktes) folgt dem rechteckigen Schaltsignal nicht schlagartig.
Der Strom (Graph rot) macht erst mal gar nichts und steigt dann, abhängig von der Wicklung des Elektromagneten (Induktivität) im Einspritzventil, verhältnismässig langsam an ((2) bis (5)).
Ab (3) ist er kräftig genug bzw. die Spulenerregung so hoch, dass das Ventil zu öffnen beginnt, bei (4) ist es offen (grün).
Am Ende der Einschaltzeit (6) schaltet der Prozessor die Spannung ab. Nachdem eine Induktivität beteiligt ist tarockt diese erst mal nach und generiert eine Induktionsspitze (genau wie eine Zündspule!). Strom und Spannung sinken, wieder aufgrund der Induktivität, nur allmählich. Der Prozessor hat damit nichts zu tun. Mehr als die Spannung abschalten kann er nicht tun.
Auf die Zeit und die Einspritzmenge bezogen heisst das:
Bei (1) beginnt zwar die Einschaltzeit aber bis (3) fliesst gar kein Kraftstoff. Ich nenne diesen Zeitabschnitt „Reaktionszeit“ Ze.
Während der „Anstiegszeit“ Za ((3)bis(4)), , fliesst nicht sehr viel weil sich das Ventil erst langsam und dann fast schlagartig bewegt.
Die Anlaufzeit Zg ist die Summe aus Ze+Za.
Von ((4)bis(6)) hat das Ventil maximalen Durchfluss. Bei (6) endet die Einschaltzeit,
Aufgrund seiner Schliesszeit Zs arbeitet das Einspritzventil noch etwas länger ((6)bis(7)).
Zu erkennen ist auch, dass während Ze kein Kraftstoff fliesst/zerstäubt wird. Bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass man mit der Kraftstoffmenge im Bereich Za, die Kurve im Bereich Zs in sehr guter Näherung „auffüllen“ kann (blass gn).
Ze, Za und Zs sind Ventil-spezifisch und konstant!

Ergo:
Jedes Mal wenn der Prozessor ein Einspritzventil einschaltet, so tut sich, bezogen auf den Kraftstofffluss, erst mal nichts! Dann beginnt das Ventil zu öffnen, der Kraftstofffluss setzt ein. Nach Ze+Za=Zg ist das Ventil geöffnet und der Kraftstoff fliesst wie gewünscht.
Schaltet der Prozessor ein Einspritzventil aus, so braucht das Ventil etwas Zeit um zu schliessen. Der Kraftstofffluss wird nicht schlagartig unterbrochen.
Die Zeit in der tatsächlich Kraftstoff fliesst, ist geringer und zeitlich etwas versetzt zur Einschaltzeit des Prozessors.


Einige Erklärungen zur Steuerung eines Einspritzventils.
Einschaltzeit
Die Zeit in der die Steuerung ihren Ausgang auf Ventil „EIN“ schaltet.

Ausschaltzeit

Die Zeit in der die Steuerung ihren Ausgang auf Ventil „AUS“ schaltet.
Das Einspritzventil kennt nur die Zustände „ein-“ bzw. „aus“. „EIN“ mit irgendwie  verzögerter Reaktion ist klar, „AUS“ mit ebenfalls verzögerter Reaktion auch. Beide Reaktionen hängen mit der elektromagnetischen Schaltweise zusammen und sind Konstanten.

Was passiert wenn man bei hohen Taktraten erneut „EIN“ schaltet, wenn das Ventil zwar elektrisch bereits „AUS“ aber mechanisch noch gar nicht geschlossen ist (Ze2 beginnt wenn Zs1 noch nicht abgeschlossen ist; Bild: Einspritzventil Taktung Auszeit, unten)?
Keine Ahnung! Zumindest ist die Reaktion dann rechnerisch schwer definierbar.
Am einfachsten dürfte sein diese Grenze zu vermeiden

Taktzeit
Die Summe aus Einschalt und Ausschaltzeit

Taktrate (Takthäufigkeit; Drehzahl)
Manchmal mit „Drehzahl [rpm]“ bezeichnet. Der Begriff „Drehzahl“ ist hier falsch verwendet. Ein Einspritzventil dreht sich nicht, kann also auch keine Drehzahl haben. Aber das Einspritzventil wird natürlich getaktet.
Interessant ist die Betrachtung wenn man ein Einspritzventil in gleich langen Zeitabschnitten, passend zur Motordrehzahl unterschiedlich oft taktet (ansteuert), das „rpm“ also als Takte/min (=Taktrate) interpretiert.
Mit Taktrate 1 getaktet, wird das Einspritzventil 1 mal pro Minute geöffnet. Ist dabei auch die Einschaltzeit 1 Minute, die Ausschaltzeit folglich „null“, so misst man die Nenneinspritzmenge des Einspritzventils, also das Durchflussmaximum pro Zeiteinheit.
Misst man z.B. bei einer Taktrate von 2000, dann sinkt der Durchfluss. Schliesslich muss das Einspritzventil 1999 mal häufiger geschaltet werden als bei der reinen Durchflussmessung und dabei tritt jedes Mal Ze auf.
Definiert werden muss dabei auch das Taktverhältnis oder die absolute Ein- bzw. Ausschaltzeit!!

Reaktionszeit Ze
Das Einspritzventil reagiert beim Anlegen der Betriebsspannung nicht sofort sondern benötigt die konstruktiv bedingte, immer gleiche Reaktionszeit.

Anstiegszeit Za
Auf die Reaktionszeit folgt die Anstiegszeit in welcher der Volumenstrom durch das sich öffnende Venitl ansteigt.

Anlaufzeit. Zg
Die Anlaufzeit ist die Summe aus Reaktionszeit + Anstiegszeit.

Schliesszeit Zs
Die Schliesszeit beginnt zu Beginn der Auszeit wenn das Ventil nicht mehr mit Spannung versorgt wird, das Ventil aber, aufgrund von Trägheit und Selbstinduktion, noch nicht geschlossen ist.

Schaltverlust
Nimmt man den Nenndurchfluss eines Einspritzventils als Basis so wird der Durchfluss pro Zeiteinheit umso geringer je höher die Taktrate ist.
Während jedem Öffnungs-/Schliessvorgang (Ze, Za; Zs) fliesst ja kein/weniger Volumen pro Zeiteinheit!
Ausgedrückt werden kann das als Prozentsatz vom Basiswert. Natürlich kann zum Vergleichen(!) auch ein anderer Wert als Bezugsgrösse verwendet werden.


Bild „Taktung“

Zeile 1
1 Minute einspritzen um den Nennwert für den Durchfluss zu ermitteln >> nur Vergleichswert
Zeile 2
Maximale Taktrate bei vorgegebener Einspritzdauer. Zu sehen ist, dass weniger Menge eingespritzt wird als bei 1 weil „Schaltverluste“ unvermeidlich sind.
Zeile 3
Kleine Taktrate > niedrige Drehzahl und wenig Kraftstoffbedarf
Zeile 4&5
Diese Art der Taktung taugt nur nur um zwei Ventile vergleichen zu können (link „Einspritzventil Gruppe“)

Wie gross sind Ze, Za und Zs?
Nachdem es sich um Bauteilkonstanten handelt ist die Antwort nicht allgemein gültig. Aus dem Oszilloskopbild in (Link) „Einspritzventil“ lässt sich Zs mit ca. 1,75 ms messen. Za dürfte etwa gleich gross sein weil an der gleichen Induktivität gemessen wird. Ze ist unbestimmt, liegt jedoch eher unterhalb dieser Werte.
Unbekannt ist ohnehin wann die Originale dieser Oszillogramme entstanden und an welchen Ventilen sie gemessen wurden. Grob gesagt: Je moderner das Einspritzventil desto schneller ist es.
Aber:
Wenn Ventile verglichen werden so sind diese „Unzulänglichkeiten“ uninteressant weil ja lediglich die Differenzen unter gleichen Bedingungen betrachtet werden


Einspritzzeit

Zuerst eine Begriffsdefinition:
Die von Messgeräten wie GS911 ausgewiesene „Einspritzzeit“ ist die vom Prozessor errechnete EinSCHALTzeit, also die Länge des Signals welches an das Einspritzventil gegeben wird.
Die tatsächliche Einspritzzeit ist etwa um Ze (Konstante!) geringer!
Zu sehen ist ausserdem ein Dilemma. (dargestellt ist nur 1 Zylinder!). Gerade dann wenn viel Kraftstoff benötigt wird steht nur wenig Einspritzzeit zur Verfügung.

Die untere Kurve zeigt die Abfolge bei max. Drehzahl:
Der Kraftstoffbedarf bei maximaler Leistung und der Sinn von mehr oder weniger Kraftstoff ist bei (Link) „Leistungssteigerung-durch-mehr-sprit“ ausgeführt
Gehen wir somit davon aus, dass ein 1150 Motor bei 8000U/min, maximal ca. 0,05g * (8000 / 2) 1/min = 200g Kraftstoff pro Minute verbrennt.
Bei 8000 1/min unter Volllast wird er nicht mehr bei Lambda1 sondern mit ca. 6% Spritüberschuss betrieben (Link) „gemisch-fetter-mehr-leistung-in-der-praxis“.
Bei solchen Randbedingungen muss ein Ventil 212 g/min (0,053mg/s) einspritzen können.
Passend wäre z.B. ein BOSCH E14 mit möglichen 237g/min (3,95 mg/s) und einer Einspritzzeit von ca.13,42 ms pro 2 Umdrehungen.

Bei max. 8000 1/min (7500) macht der Motor pro Sekunde 8000/60 =133,33 Umdrehungen (7500/60=125). Folglich braucht er für 1 Umdrehung 0,0074 Sekunden oder 7,4 ms (8 ms). Weil ein 4T-Motor nur 1 Arbeitstakt pro 2 Umdrehungen hat, muss auch nur alle 14,8 ms eingespritzt werden und die max. Einspritzdauer kann ebenfalls max.14,8 ms(16 ms) betragen.

Bei max. 15 ms wird das mit den BOSCH E14 knapp?
2 Argumente:
1 Je besser die Maximalleistung des Ventils auf den maximalen Bedarf abgestimmt ist, desto besser kann man bei niedrigeren Drehzahlen dosieren.
Analogie: Versuche ein deutsches Schnapsglas mir einem C-Rohr der Feuerwehr bei 16 bar so zu füllen, dass es exakt voll ist aber kein Tropfen überläuft! Auch wenn man den Druck auf 3bar senkt bleibt es schwierig. Einfacher und schneller(!) ist es mit einem 4mm Schlauch bei 1 bar!

2 Die Nenn-Durchflussmenge wird mit n-Heptan bestimmt. Dessen Viskositätsgrad ist zwar mit Wasser bzw. Benzin vergleichbar aber seine Dichte ist lediglich 0,61 g/ccm. Die 237g Nennmasse entsprechen also ca. 389 ccm, Verwendet man Benzin, so fliesst das etwa gleiche Volumen durch. Benzin hat -je nach Sorte- eine Dichte von 0,720–0,775 g/ccm ist somit dichter und somit können da pro Minute nicht nur 237g sondern 279 – 301g durchlaufen! Bei einem Mittelwert von 285 g/min für „Benzin“ verringert sich die benötigte Einspritzzeit auf 11,16 ms.

Jetzt wieder eine Betrachtung zur Grössenordnung
Zs ist aus dem Oszillogramm (Link „Einspritzventil“) entnommen und beträgt max. ca. 1,75 ms. Za ist zumindest sehr ähnlich. Ze nehme ich mit 2 ms an. Nach der vorhergehenden Rechnung kann die Taktzeit bei 8000 1/min maximal 14,8 ms betragen.
Nehme ich sicherheitshalber die Ausschaltzeit mit 2ms an, so verbleiben für die Einschaltzeit 12,8 ms. Die eigentliche Einspritzzeit beträgt dann Einschaltzeit minus Ze plus Schliesszeit Zs (12,8 – 2 + 1,75)ms =12,05 ms.
Das reicht!
Aber wenn meine angenommenen Zeitkonstanten für dieses Ventil stimmen, wird der Motor mit diesen Ventilen nicht einmal theoretisch wesentlich höher drehen können.

Was machen die Rennerle mit ihren 16000 1/min?
Ganz einfach: Die haben kleinere Hubräume und somit weniger Spritbedarf pro Zylinder!
Wenn aber . . .
Auch ganz einfach: Man verwendet z.B. 2 kleine Einspritzventile pro Zylinder oder erhöht den Einspritzdruck geringfügig!

Typische Einspritzzeiten (Nicht Einschaltzeit!):
Leerlauf: 1,5 ms; Teillast: 3,5 ms; Volllast: bis zu 14 ms (das ist bei einem 2-Zylinder fast ununterbrochen!).
Um diese Einspritzzeiten zu erreichen muss von der Steuerung ein Impuls abgegeben werden der um Ze länger als die reine Einspritzzeit ist. (Ze) kann man als ventiltypspezifische Konstante zu betrachten.

Wann wird eingespritzt?
Klingt erst mal nach einer blöden Frage. Nehmen wir zur Betrachtung eine moderate Drehzahl und auch eine moderate Last. Es steht also relativ viel Zeit zur Verfügung und die erforderliche Einspritzzeit ist nur kurz. Selbstverständlich wird auch im richtigen Takt -also passend zur Drehzahl- eingespritzt.
Jetzt wieder anschaulich: Im Zylinder ist gerade der Verdichtungstakt beendet. Die Luft im Ansaugtrakt bewegt sich nicht oder kaum -das Einlassventil ist ja geschlossen- eventuelle Resonanzschwingungen unterschlage ich. Wir spritzen (kurz!!) in quasi stehende Luft ein. Nun befindet sich ein Nebelchen zwischen Drosselklappe und Ventil. Der Arbeitstakt läuft ab und das Nebelchen fragt sich was es hier tut und legt sich ein bisschen hin (kondensiert). Der Ausstosstakt wird absolviert, das Nebelchen pennt ein. Jetzt beginnt der Einsaugtakt, die Luft kommt in Bewegung und reisst all das mit was sich noch nicht hingelegt hat oder schläft. Nicht gerade optimal.
Besser:
Die Strömungsgeschwindigkeit ist am höchsten wenn das Einlassventil zu schliessen beginnt. Folglich ist es am Günstigsten zu diesem Zeitpunkt einzuspritzen weil „jetzt“ das Nebelchen mitgerissen wird und keine Zeit findet um „auszuruhen“ :-)..
Allerdings muss es den Weg von der Drosselklappe bis hinter das Einlassventil zurücklegen und braucht dafür „einen Moment“ Zeit. Dumm natürlich auch wenn man erst mit den Einspritzen anfängt wenn das Schliessen bereits beginnt.
Fazit: Die Einspritzzeit sollte idealer Weise so gelegt werden, dass sie endet wenn das Ventil zu schliessen beginnt UND der Weg von der Drosselklappe zum Einlassventil zurückgelegt ist.

Links
Einspritzventil 1
Einspritzventil 2 Schaltzeit_Taktrate
Einspritzventil 3 Gruppe
Kraftstoff-Einspritzdruckregler
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leistungssteigerung-durch-mehr-sprit