not oknot oknot oknot oknot ok Drehmoment und Schrauben festziehen

Drehmoment von Schrauben und Gewinden

Wer über einen Satz geeichter(!) Drehmomentschlüssel und ausreichend Erfahrung verfügt, dem reicht eine Tabelle der Spannkräfte und Anzugsmomente vollkommen aus. Für alle anderen Menschen soll dieses Dokument als Leitfaden für erfolgreiche und zerstörungsarme Reparaturen dienen.

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"Handfest"
Zunächst: Die meisten Schrauben/Muttern - so es sich nicht um irgendwelche abgefahrenen Sonderschrauben (dazu komme ich später) handelt - werden "handfest" angezogen. Schön. Handfest. Was ist denn handfest?
Handfest bedeutet, dass mit einem für die Verbindung adäquaten Werkzeug so fest gezogen werden muss, dass ohne Gegenhalten, Verlängerung und/oder Abstützen ein erheblicher Kraftaufwand notwendig wäre.
Nun stellt sich die Frage: "Was ist Adäquat?".
Adäquat bedeutet für M3-M6 und SW 3-13 bzw. Inbus bis Gr. 6 eine Knarre mit 1/4" (Standard für derartige Verbindungen) und einem Griff, der kaum länger ist als die Hand breit. Darüber ist eine 1/2"-Knarre angezeigt, SW 14-21. Alles andere ist eigentlich Traktormechanik.
Dito bei den (Kreuz)Schlitz-/ Philips-/ Torx-/ Innenvielzahn-/ Pozidriv und sonstigen Schrauben, die man mit einem Dreher betätigt: Normale, ballige Handgriffform, Gegenhalten am angeschmiedeten Sechskant nur beim Lösen, Schlagschrauber sowieso NUR dann!

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Ein Beispiel
Nehmen wir als Beispiel die viel gerühmte KTM-Ölablassschraube. Ohne die genau Größe jetzt im Kopf zu haben, wird es sich hier um eine 17er Schlüsselweite handeln, obendrein steckt sie noch in einem (kurzen) Aluminiumgewinde. Aber wir werden sehen, dass das kaum eine Rolle spielt. Wir nehmen also unsere Stahlwille 1/2" Knarre mit Verlängerung (aber an der Stecknuss, nicht am Griff!!) und fixieren die Schraube.
Das Anzugsmoment "30 Nm" bedeutet eine Kraft von 30 Newton an einem Hebel von 1 Meter. Meine Knarre ist gut 25cm lang (etwas länger, aber es zahlt die Handballenmitte), daher darf ich rund 120 Newton in dieser Entfernung aufbringen.
120 N entspricht einer Masse von 12 kg (in etwa, auf der Erde und am Äquator...) und ist - wie man sich durch das Zusammendrücken der Badezimmerwaage hochkant zwischen den Händen vergegenwärtigen kann - ziemlich und überraschend viel Holz! Ohne Abstützen wird sich hier der normal gebaute Schrauber schon schwer tun, diese Schraube erheblich fester "anzuknallen".
Streckgrenze

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Beim Nenndrehmoment gehen die typischen Schrauben schon ein klein wenig in die Dehnung, von ihrer Streckgrenze sind sie dann aber meistens noch mindestens 50-100% entfernt (obige Schraube würde also durchaus bis zu 60 Nm aushalten, bevor sie abreißt - damit würde man u. A. auch die Achsmutter der hinteren Steckachse ordnungsgemäß angezogen haben, nur als Anschauungsbeispiel).
Im Maschinenbau spricht man von sigma-02, d. h. es wird mit 20% der Streckgrenze angezogen, weil auf die Verbindung meist noch eine statische oder dynamische Last kommt, durch die dann in Summe die Streckgrenze nicht überschritten werden (= plastische, d. h. irreversible Verformung), sich die Schraubverbindung aber auch nicht wieder lösen darf.

 

 

Materialien
Probleme tun sich bei Leichtmetall- und Edelstahl- (V2A und V4A) gewinden auf: Die sind nämlich zumeist empfindlich gegenüber Verschmutzung, schiefem Eindrehen und roher Gewalt. Die Gewindeflanken sind sehr schnell "ausgenudelt" - die Schraube wackelt. Im obigen Beispiel ist also speziell das Innengewinde im Motorblock mit einem Lappen zu reinigen, dito die Ablassschraube selbst, ein Klecks Fett hat in diesem Zusammenhang noch nie geschadet (mehr zum Thema Schmiermittel weiter unten).
Selbstredend werden Schrauben IMMER bis zum Ansitzen mit der Hand eingedreht, im Fall der Umschaltknarre nimmt man einfach die Stecknuss mit deren Verlängerung in die Hand. Ganz wichtig ist diese Vorgehensweise bei Feingewinden, z. B. der Zündkerze, weil man hier auch verkantet relativ weit kommt und eine Stahlschraube (die die Zündkerze ja gewissermaßen ist) im Leichtmetall schon recht "netten" Schaden anrichten kann.

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Probleme beim Eindrehen
Tritt auf diesem Weg ein ungewöhnlich hoher Widerstand auf, der einen Griff zum Betätigungswerkzeug nahelegt, ist das Gewinde verdreckt und soll mit Druckluft, Bremsenreiniger gereinigt bzw. mit einer Gewindefeile oder einem Gewindeschneider ausgebessert werden. Eine Schraube "reinzuwürgen" um das Gewinde durchzuputzen ist eine schlechte Idee, weil im Gegensatz zum Gewindeschneider kein Platz für Späne, Dreck oder sonstige Materialien ist. In der Folge verklemmt sich die Schraube und das weichere Material gibt nach. Edelstahl ist zwar relativ zäh aber deutlich weniger hart als der Stahl einer normalen 8.8 oder 12er Schraube und daher "kippen" die Gewindegänge schnell um bzw. die Schraube längt sich irreparabel.
Schmieren von Gewinden
Für das Schmieren von Gewindeverbindungen gibt es eine einfache Regel: Alle Schrauben, die sich später wieder lösen lassen sollen und für die kein Schraubensicherungslack vorgeschrieben ist, dürfen geschmiert werden.
Zu beachten ist, dass ggf. das vorgeschriebene Drehmoment etwas zu reduzieren ist, da die Daten für einen trockenen Metallkontakt (präzise: Eine leicht geölte Verbindung von galvanisch unbehandelten - d. h. nicht verzinkt, brüniert, verchromt oder eloxiert - Gewinden) gelten.
Aus eigener Erfahrung schmiere ich:
Gabelklemmschrauben, Verkleidungsschrauben für Tank und Sitzbank, Zündkerzen (es sei denn der Hersteller sagt Anderes), Schrauben und Hülsen der Umlenkhebelei, Verbindungs- und Klemmschrauben an der Abgasanlage, nicht aber die Schrauben am/ im Auspuff selbst.
Zum Schmieren eignet sich Öl, lithiumverseiftes Mehrzweckfett (das MOS2-Fett schmutzt zu sehr und sollte nur an der Umlenkhebelei und/oder dem Federbein sowie dem Radlagerinneren eingesetzt werden), Silikonfett oder Kupferfett (Bremsanlage - ich bevorzuge Silikonfett mittelschwer, weil es weniger schmutzt und Staub anzieht, Zündkerze - hier ist (bedingt) Kupferfett geeignet,  Keramikpaste (Bremsanlage, Auspuffanlage - hier aber auch Kupferfett) sowie Teflonspray und -öl für die Staubkappen der Gabelinnenrohre bzw. den Schwammtuchstreifen zwischen Gabelsimmerring(en) und Staubkappe(n), so sich dort einer befindet.
Ein Tipp: So komisch es sich anhören mag, aber an Schrauben, die dem Ölkreislauf angehören lieber kein Öl zum Schmieren nehmen sondern Fett. Grund: Eine Undichtigkeit kann so leichter erkannt werden weil kein Tropfen Schmieröl noch am Schraubengewinde oder Dichtring klebt.
Natürlich kann man daraus eine Wissenschaft machen, doch das reicht fürs erste.
Schraubensicherungslack
Schraubensicherungslack gehört an (gereinigte, trockene und fettfreie):
Bremsscheibenschrauben, Kettenrad- und Ritzelschrauben, sonstige Verkleidungsschrauben, Hebelschrauben, Rahmenheckschrauben, Kickstarter-, Schalthebel- und Bremshebelschrauben, diverse Schrauben im Motorinneren, für die das vorgeschrieben ist.
Zum Thema "Schraubensicherungslack": Generell den Loctite 243 (mittelfest) nehmen, so nicht anders angegeben. Der 270 (hochfest) kann bei Raumtemperatur und normalem Werkzeug nahezu nicht mehr gelöst werden. Es gibt dann noch Lagerkleber für wackelnde Rad- und Lenkkopflager und diverse andere Spezialmittelchen. Loctite immer auf die entfettete Verbindung geben, und zwar auf das Gewinde und vor dem Einschrauben. Ein Tropfen genügt, viel hilft nicht viel. Der Lack härtet unter Luftabschluss.
Nur Gefahrensucher verwenden Klebstoff auf Cyanacrylatbasis!
Drehmomentschlüssel
Zunächst mal ein Wermutstropfen: Schlüssel aus dem Baumarkt taugen nicht viel, man gibt sich einer oft trügerischen Sicherheit hin und reißt mit einem zu langen Griff gerne mal die Schrauben ab, die man eigentlich schonen möchte.
Extrembeispiel:
Drehmomentschlüssel 5-100 Nm, Toleranz 15%; Bremssattelentlüftungsschraube: Die Toleranz ist bei billigen Schlüsseln oft auf ein mittleres oder Nenndrehmoment spezifiziert (ohne Prüfzertifikat kann das nahezu alles sein) - die Entlüfterschraube soll mit 10 Nm festgezogen werden - das können aber gerne auch 20 Nm sein, Toleranz sei Dank. Und bei 20 Nm ist die Schraube ab, der Gewinderest steckt im Sattel. Jeder Normalmotoriker hätte aber nach Gefühl  diese Schraube niemals so fest angezogen.
Fazit: Drehmomentschlüssel richtig und sparsam einsetzen! Die Teile verschleißen nämlich auch und müss(t)en nachgeeicht werden.
Wo einsetzen? Z. B. am Zylinderkopf und Lichtmaschinenrotor, wo es auf penible Sorgfalt ankommt und sich eine Schraube auf  gar keinen Fall lösen darf. Wo nicht (ein wenig Fingerspitzengefühl vorausgesetzt, s. oben "handfest")?
Steckachsmutter, Gabelklemmschrauben, Lenkerklemmschrauben, Gehäuse- und Verkleidungsschrauben, Spiegelklemmschrauben, Schrauben mit Schlitz o. Ä.
Über Hohlschrauben, Entlüftungsschrauben und Ablassschrauben kann man sich streiten. Ich verwende dort keinen Drehmomentschlüssel, weil hier meistens "handfest" reicht. Wer sich das nicht zutraut, kann sich ja mit dem Drehmomentschlüssel ein Gefühl im Handgelenk verschaffen und dann in Zukunft normales Werkzeug verwenden.
Wie einsetzen? Sparsam! Den Drehmomentschlüssel so wählen, dass das angestrebte Drehmoment etwa in der Mitte des möglichen Drehmoments liegt. Das erfordert die Anschaffung von mindestens zwei Schlüsseln, ein 1/4"-Werkzeug mit 5-50 Nm und ein 1/2"-Werkzeug mit 40-250 Nm. Immer Schlüssel mit "Klick" (und keine mit Skala) wählen, solche nennt man "Automatisch". Ach ja: Mit rund 100 Euro pro Schlüssel ist man immer dabei.
Wichtig: Nach getaner Arbeit die Feder im Drehmomentschlüssel wieder entspannen und nicht auf dem (möglicherweise höchsten) Einstellwert belassen. Auch Federstahl leiert aus und der Drehmomentschlüssel muss dann entsprechend früher nachgeeicht werden!

Link:
Drehmoment hochfeste Schraubverbindungen
Schraube-gewindefurchend
Dehnschraube
Schraubensicherung-mit-Klebern
Schraubensicherung
Schrauben-mit-Drehmoment-festziehen


gerd_: Ich kann Volker Bartheld nur zustimmen.
Das Einzige wo ich energisch widerspreche ist die Kupferpaste auf Kerzengewinden. Die Hersteller sind sich einig: Die Dinger werden trocken verschraubt, die Oberflächenveredelung reicht und schützt vor dem Festfressen.
Die Tabellen stimmen in ihren Werten nicht vollkommen überein (unterschiedliche Quellen).
Interessant ist für die DrehMo-Fanatiker vor Allem diejenige, bei der unterschiedliche Reibzahlen genannt sind:
Welche hat man nun gerade und wie verteilt sich "µ" zwischen "Gewinde-" und "Unterkopfreibung"? :-)