Was ist Bremsflüssigkeit, welche Eigenschaften hat sie?


Ganz allgemein ist es eine Hydraulikflüssigkeit die den Druck der Geberzylinder an die Nehmerzylinder weitergeben soll.
Komprimieren sollte sich die Flüssigkeit nicht lassen. Die Energie soll bei den Nehmerzylindern ankommen und nicht zum Komprimieren der Flüssigkeit verwendet werden. Da sind schon mal die meisten Flüssigkeiten geeignet.
Dünnflüssig muss sie sein weil man bei „dicker Brühe“ viel Kraft aufwenden müsste nur um sie durch die Leitungen zu quetschen. Auch das Lösen der Bremsen würde problematisch weil nur sehr kleine Kräfte zur Verfügung stehen. Honig fällt somit aus.
Gefrieren darf sie nicht so leicht. Zumindest Wasser scheidet somit schon mal aus weil das bereits bei Null Grad gefriert.
Der Siedepunkt soll hoch sein. Benzin ist also auch nix. Es verdampft ja bereits bei Raumtemperatur.
Aggressiv darf sie nur gegenüber Materialien sein mit denen sie normal nicht in Berührung kommt. Sollte das Zeug Finger oder Lack auflösen ist das nicht tragisch.

Letztlich hat sich ein Produkt auf Basis von Mineralöl durchgesetzt.

Unterschiedliche Bremsflüssigkeiten
Bremsflüssigkeit wird in mehreren Qualitäten mit unterschiedlichen Siedepunkten hergestellt. Bei den heute häufig verwendeten Scheibenbremsen tritt wegen der kleineren, wirksamen Belagflächen, wegen der höheren Anpressdrücke und der konstruktiv größeren Wärmeübertrittsquerschnitte eine höhere Wärmebelastung der Bremsflüssigkeit auf.
Darum werden hier hoch siedende Qualitäten verwendet.

Für diese Flüssigkeiten wird immer die DOT Norm (U.S. Department Of Transportation) genannt. Die Eigenschaften sind jedoch auch in  DIN/ISO4925 festgelegt. Anscheinend ändert sich da nicht viel. Bisher wurde erst bis DOT5 hochgezählt.

Beispiel:
DOT4 fordert für den Siedepunkt mind. 230°C; für den Nasssiedepunkt mind. 155°C

Weshalb Nasssiedepunkt? Weil man die Summe der Eigenschaften schätzt nimmt man als Nachteil in Kauf, dass fast jede Bremsflüssigkeit hygroskopisch, also wasseranziehend ist. Also ist ein Wert als Nasssiedepunkt festgelegt wenn das Zeug 3% Wasser enthält (=.)
Die Qualität, die den Bedingungen FMVSS No. 116 DOT 5.1 entspricht, zeichnet sich gegenüber denjenigen nach DOT 4  durch einen relativ geringen Siedepunktabfall bei Wasseraufnahme aus (bei DOT 4 wiederum geringer als bei DOT 3). Das heißt: bei gleichen prozentualen Wasseranteilen in den Bremsflüssigkeiten liegt der Siedepunkt einer Bremsflüssigkeit gemäß DOT 5.1 höher als bei einer nach DOT 4 oder gar gemäss DOT 3

DOT5 beschreibt Bremsflüssigkeit auf Silikonbasis. Diese ist nicht hygroskopisch und greift auch Lacke nicht an. Sie ist allerdings etwas komprimierbar, schwerer als DOT 4 und lässt sich NICHT mit herkömmlichen Bremsflüssigkeiten mischen!!.

Falls man also mal anstatt DOT 4 oder DOT 5.1 versehentlich  DOT 5 einfüllt, sollte man das System sofort gründlich spülen. Ggf sollte man auch die Manschetten der Bremskolben wechseln. DOT 5 erfordert eine konstruktiv etwas andere Auslegung der Bremsanlage und spezielle Gummiteile. Gummis aus anderen Anlagen könnten quellen (zumindest sagt ATE das so aus)  und zum Ausfall der Bremsanlage führen.

Aktuell werden die meisten Bremsanlagen mit DOT4 oder DOT5.1 befüllt.
Die einzigen mir bekannten DOT5 Anwender sind Harley, ein Brite, und das U.S. Militär.

Als Beispiel hier Angaben von ATE


Original ATE Bremsflüssigkeit Typ 200
Minimaler Siedepunktabfall durch hervorragendes Wasserbindungsvermögen.
Kein Verschäumen beim Befüllen und Entlüften der Bremsanlage.
Hervorragender Korrosionsschutz durch ausgewählte Additive.
Hohe Sicherheitsreserven gegen Dampfblasenbildung.
Ermöglicht Bremsflüssigkeitswechselintervalle bis zu 3 Jahren.
Erfüllte Normen: FMVSS Nr. 116 - DOT4 und DOT3* ; SAE J1703; DIN/ISO 4925
Siedepunkt: mind. 280°C (DOT4: mind. 230°C); Nasssiedepunkt: 200°C (DOT4: mind. 155°C)

Original ATE Bremsflüssigkeit Super DOT4
Bei führenden Autoherstellern seit vielen Jahren im Serieneinsatz, besonders in Fahrzeugen mit ABS.
Erfüllte Normen: FMVSS Nr. 116 - DOT4 und DOT3*; SAE J1703; DIN/ISO 4925
Siedepunkt: mind. 260°C (DOT4: mind. 230°C); Nasssiedepunkt: mind. 180°C (DOT4: mind. 155°C)    

Original ATE Bremsflüssigkeit SL
Millionenfach bewährte DOT4-Qualität
Erfüllte Normen: FMVSS Nr. 116 - DOT4 und DOT3*; SAE J1703; DIN/ISO 4925
Siedepunkt: mind. 260°C (DOT4: mind. 230°C); Nasssiedepunkt: 165°C (DOT4: mind. 155°C)


Weshalb sollte die Bremsflüssigkeit gewechselt werden?
Nach etwa ein bis zwei Jahren Betriebszeit wird im Ausgleichsbehälter der Fahrzeuge gewöhnlich ein Wasseranteil von cirka 3 Prozent gemessen, was einem Siedepunkt, je nach Sorte, von etwa 140 °C bis 180 °C entspricht. Das bedeutet, dass die Bremsflüssigkeit bereits ab dieser Temperatur zu verdampfen beginnt (eigentlich siedet  nur der Wasseranteil).

Was bewirkt Wasser in der Bremsflüssigkeit?
Beim Bremsen wird Bremsflüssigkeit in die Nehmerzylinder der Bremse gedrückt. Ihre Arbeitskolben bewegen sich bis die Reibbeläge an der Scheibe bzw. an der Bremstrommel anliegen. Dann erfolgt der Aufbau des eigentlichen Bremsdruckes, dessen Höhe von der ohne Bremskraftverstärker auf den Geberkolben ausgeübten Kraft abhängt.

Befährt man nun mit einem Fahrzeug eine lange Gefällstrecke, so erhitzen sich Bremse und Bremsflüssigkeit durch die Reibung stark. Übersteigt die Temperatur der Bremsflüssigkeit ihren Siedepunkt, beginnt sie zu verdampfen. Steigt die Temperatur an, solange der Fahrer „auf der Bremse steht“, kann die Bremse noch voll wirksam sein, da der hohe Druck den Siedepunkt der Bremsflüssigkeit erhöht.

Löst der Fahrer im flacheren Gelände die Bremse, geht der Kolben in seine Ausgangsposition zurück. In diesem Moment bilden sich in der überhitzten Bremsflüssigkeit Dampfblasen, die sich ausdehnen und einen Teil der Bremsflüssigkeit durch die Ausgleichsbohrung in den Ausgleichsbehälter drücken. Im Bremssystem befinden sich jetzt kompressible Dampfblasen. Diese Dampfblasen werden beim nächsten Bremsen zusammengedrückt. Ist das Volumen der Dampfblasen so groß, dass der maximale Weg des Bremspedals nicht ausreicht, um die Dampfblasen ganz zusammen zu drücken, dann kann kein Bremsdruck mehr aufgebaut werden, das Bremspedal fällt durch, der berühmt-berüchtigte „Tritt ins Leere“.

Wie gelangt Wasser in die Bremsflüssigkeit?
Verschiedene Thesen:
1) Das Belüftungsloch im Deckel des Nachlaufbehälters sorgt bei schwankenden Bremsflüssigkeitsstand für die notwendige atmosphärische Belüftung; dabei wird über das Belüftungsloch auch Luftfeuchtigkeit mit angesaugt. Beim Waschen des Fahrzeuges kann Wasser über das Belüftungsloch in den Nachlaufbehälter gelangen. Für Ausführungen, bei denen die atmosphärische Belüftung zum Beispiel über entsprechende Gestaltung des Gewindes der Behälterverschraubung erreicht wird, gilt natürlich das gleiche.
1.1) Andererseits kann bei Motorrädern kein Wasser in den Ausgleichsbehälter am Handbremshebel eindringen, wenn die unter dem Gehäusedeckel liegende Membrane in Ordnung ist. Wenn die Maschine auf der Seite liegt, kann auch keine Bremsflüssigkeit auslaufen.
Kommentar:  Da hebt eine These die andere quasi auf.

2) Auch durch die Bremsschläuche und Dichtelemente diffundiert Wasser in die Bremsflüssigkeit ein (bei Gummi mehr, bei Stahlflex weniger); dabei erhöht sich der Wassergehalt der Bremsflüssigkeit im besonders gefährdeten Bereich der Bremsanlage.
Kommentar: Das halte ich persönlich für nicht zutreffend. Der eigentliche Schlauch bei Stahlflex ist ein Teflonrohr, da diffundiert nix. Jedenfalls nicht innerhalb von 10 Jahren. Auch bei intaktem Gummi halte ich das bestenfalls für einen theoretischen Laborwert oder für ein Gerücht. Ist der Gummi nicht intakt wird der Schlauch platzen.

br_flues01
br_flues01

3) Ohne es beweisen zu können: Die einzigen „Öffnungen“ die mir zu diesem Thema einfallen, sind die Kolbendichtungen der Zylinder. Die werden ja durch die Bremsflüssigkeit geschmiert (womit auch sonst?). Also besteht hier ein Spalt zur Aussenwelt durch den die hygroskopische Flüssigkeit das "dünnflüssige" Wasser hineinzieht, selbst aber nicht raus kann. Das wäre auch eine relativ logische Erklärung weil dann gerade an der Stelle wo es darauf ankommt, nämlich an den Radbremszylindern, der höchste Wasseranteil im System wäre (und auch ist). Zudem sind die Dichtungen der Radbremszylinder bei jeder Fahrt im Regen „gut versorgt“.
Diese These erscheint mir zumindest wesentlich wahrscheinlicher als eine Diffusion durch Gummi oder gar Teflon.

Link:
Allgemeines-zu-Bremsen
Kupplungsflüssigkeit