Das Problem:
Der serienmäßige Ventiltrieb der 2V-Boxer ist zwar relativ robust und einfach im Aufbau, aus technischer Sicht aber weit von der an sich wünschenswerten Präzision einer korrekten Ventilsteuerung entfernt. Einer der dafür verantwortlichen Faktoren ist die Lagerung der Kipphebel in zwei einzelnen Lagerböcken, deren Distanz zueinander je nach Erwärmung des Zylinderkopfes erheblichen Schwankungen unterworfen ist.
Selbst wenn bei kaltem Motor der Idealzustand "spielfrei, aber leichtgängig“ erreicht ist, weitet sich der Abstand im Betrieb um die Ausdehnung des Zylinderkopfes aus, je heißer die Köpfe werden , desto größer wird auch das Axialspiel der Kipphebel. Da der Kipphebel in unbelastetem Zustand auf dem unteren Lagerbock aufliegt und die Stößelstangen von unten her ansetzen, wird dann bei jedem Nockenhub ein Teil des Hubes "verbraucht“, um den Kipphebel an den oberen Anschlag zu schieben, erst dann beginnt die Kippbewegung des Hebels und damit die Ventilöffnung. Daraus resultieren zum einen eine Verschiebung der Steuerzeiten nach hinten (das Ventil öffnet später) wie auch eine Reduzierung des Ventilhubes, außerdem wird der Ventiltrieb – vor allem bei heißem Motor und hohen Drehzahlen – deutlich lauter.
Der Lösungsansatz:
Die hier beschriebenen "Weierstall“-Kipphebel bekämpfen dieses Problem mit einer festen Verbindung zwischen beiden Lagerböcken, die das Lager der Kipphebel vom Verzug des Zylinderkopfes abkoppelt.
Dazu sind die Lagerböcke oben und unten mit exakt eingepassten &dbquo;Brücken“ ("U“ und "O“ auf den Fotos) verbunden, das Axialspiel wird einmal – beim Einbau – eingestellt und bleibt dann konstant. Seit dem Einbau der Lager vor ca. 40.000 km musste das Axialspiel bei meinem Motor nicht mehr korrigiert werden, auch nach einer Überholung der Zylinderköpfe hat das Spiel noch gepasst.
Der Umbau:
Zum Umbau werden die Originalkipphebel mit Achse und Lagerböcken ausgebaut (markieren nicht vergessen, am besten je Satz einzeln in Gefrierbeutel einpacken) und zu Herrn Weierstall geschickt. Dieser passt die Lagerböcke an die von Ihm gefertigten Brücken an und schickt sie komplett mit den Brücken zurück. Ich habe während dieser Zeit (je nach Auslastung 1-2 Wochen) die Zylinderköpfe mit kurzen Muffen anstelle der Lagerböcke etwas vorgespannt, damit am Zylinderfuß keine Undichtigkeiten auftreten.
Der Einbau:
Der Einbau bereitet keine Probleme, es ist jedoch je nach den verwendeten Ventildeckeln (orig.-"eckig“, "rund“, "Wunderlich“ etc.) möglich, dass innen am Ventildeckel etwas Material abgenommen werden muß, damit die oberen Brücken nicht mit den Deckeln kollidieren, in meinem Fall (runde Wunderlich-Deckel) war es notwendig. Ich habe dazu einfach den jeweiligen Deckel ohne Dichtung aufgesetzt und dann mit wenig Druck hin- und hergeschoben, an den "Kratzspuren“ im inneren kann man dann sehr gut erkennen, wo das Material abgetragen werden muß. Das abschleifen habe ich mit dem Dremel gemacht. Die Wandstärke der Deckel ist allemal groß genug, dass keine Gefahr besteht, nach außen "durchzustossen“. Andere haben keine Probleme damit oder die Distanz zum Deckel durch unterlegen einer zweiten Deckeldichtung erhöht.
Das Axialspiel muß dann einmalig korrekt eingestellt werden, ich habe dazu mehrere Unterlegscheiben in verschiedenen Stärken beim BMW-Händler gekauft und diese entsprechend verteilt. Zum Messen müssen die Zylinderkopfschrauben mit dem endgültigen Drehmoment angezogen sein, also mit den bekannten 15/25/35 NM. Dann mit der Fühlerlehre das IST-Spiel ermitteln, die Kipphebel wieder ausbauen und zwischen Kipphebel und unterem Lagerbock Distanzscheiben in der jeweils ermittelten Stärke unterlegen. Mit etwas Glück ist auf Anhieb der Idealzustand "spielfrei/leichgängig“ erreicht, falls nicht, beginnt das Spielchen noch mal von vorn. Sicherheitshalber sollte in jedem Falle auch die "Luft“ zwischen Kipphebel bei maximaler Ventilöffnung und der neuen oberen Brücke kontrolliert werden, vor allem wenn eine Tuningnockenwelle mit größerem Hub verbaut ist.
Seit kurzem habe ich eine 320° Nockenwelle mit etwas größerem Hub aus dem Zubehör eingebaut, mit dem größeren Hub hat es keine Probleme gegeben.
Alle Einstellwerte wie Anzugsdrehmomente und Ventilspiel bleiben erhalten.
Die Auswirkungen:
Ein Boxer, der bei allen Drehzahlen und Betriebstemperaturen bis auf ein leises &dbquo;Ventiltickern“ mechanisch leise läuft, das nervenzerfetzende "Ventilschnattern“ des 2Ventil-Boxers auf der Autobahn ist Vergangenheit.
Das Axialspiel braucht nicht mehr korrigiert zu werden, eine Kontrolle sollte jedoch dennoch regelmäßig stattfinden.
Die theoretische Verbesserung in der Leistungsabgabe durch präzisere Steuerzeiten ist bei einem ansonsten serienmäßigen Motor nicht zu spüren, dieser Faktor wird sich nur bei &dbquo;hochgezüchteten“ Motoren mit höherem Drehzahlniveau bemerkbar machen.
Kontakt: Helmut Weierstall, 0221/745672
Bild 1: Die Einzelteile (U = untere, O = obere Brücke)
Bild 2: Im Eingebauten Zustand
Bild 3: Das innere der Ventildeckel mit den Stellen, an denen ich Material abnehmen mußte.
Diese Beschreibung ist keine Reparatur- oder Montageanleitung im technischen Sinne, alle Arbeiten, die Ihr an eurem Motorrad durchführt, geschehen auf euer eigenes Risiko!
Links:
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2V Ventilspiel und Kipphebel Axialspiel einstellen
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2V Kipphebelumbau auf Axial-Nadellager in Verbindung mit einteiligen Kipphebelböcken