Welche Rolle spielt die Öltemperatur?
Zuerst einige Fakten:
-Jedes Öl ändert sein Fliessverhalten (Viskosität). Wird es wärmer, so wird es auch dünnflüssiger (niedriger viskos). Bei Mehrbereichsölen wird durch Zugeben von Additiven u. A. erreicht, dass sich die Viskosität in einer erwünschten Form ändert (>>Ölviskosität).
-In Gleitlagern wird mit dem Öl ein hydrodynamischer Schmierfilm aufgebaut der sowohl druck- wie auch wärmebeständig ist. Gleitlager sind letztlich belastungsfähiger als Rollenlager ähnlicher Dimension (und auch preisgünstiger).
-Das Öl muss Wärme aus den Lagern abführen.
-Öl kann, an Stelle von Wasser, als Kühlflüssigkeit verwendet werden.
Anforderung
Die wichtigste Anforderung an ein Motorenöl besteht m.E. an seinem Arbeitspunkt / -bereich für die Lagerschmierung.
Im Klartext ist das die Frage: Wie warm ist/wird das Öl wenn der Motor in seinem angedachten Bereich arbeitet.
Bei z.B. Flugmotoren ist das relativ einfach: Nach dem Anlassen und Warmlaufen erfolgt der Start mit Volllast (raus aus der Garage und Vollgas!). Danach Übergang in den Reiseflug. Das sind bei einem UL mit BMW-Boxer etwa 5500 1/min (bei grossvolumigen Amis mit 5l Hub/180 PSsind es 2200 bis 2600 1/min). Folglich ist zu ermitteln wie viel Wärmeenergie pro Zeiteinheit bei dieser Betriebsbedingung frei wird.
Bekannt ist, dass sich Lager(!) bei 80 bis 100°C am wohlsten fühlen.
Wird die Restenergie nicht abgeführt, so wird sie von den Lagern aufgenommen. Kann sie da nicht „abgeführt“ werden, schmelzen die Lager (=Fresser).
Theoretisch ist es erst mal uninteressant ob pro Zeiteinheit 100ml Öl durch eine Lagerstelle gedrückt werden und es sich von 78°C auf 80°C erwärmt (also 200 „Wärmeeinheiten(WE)“ aufnimmt) oder ob es nur 1ml ist der von 0 auf 200°C erwärmt wird (ebenfalls 200 WE).
Praktisch ist es fast unmöglich einen Wärmesprung von 200 Grad zu erreichen und es ist auch wesentlich einfacher eine grössere, auf 80°C erwärmte Ölmenge auf 78°C zu kühlen um sie erneut zu verwenden.
Dabei ist nicht einmal betrachtet ob die geringere Menge genügen würde um das Lager ausreichend zu schmieren, oder was die starke Wärmeausdehnung des Öls bewirken würde, etc..
Folglich ist es das erste Anliegen das gesamte System so auszulegen, dass das Öl, solange es in einem Lager ist, zwischen 80 und 100°C hat.
Das Öl in den Boxern hat teilweise 150°C?
Ja, schon, fragt sich nur wo!
Die Ölkreisläufe des Boxers in Stichworten (s. auch 4V1 Öldruck, Ölkreisläufe)
Der Schmierölkreislauf: Ölwanne, Pumpe, Filter, Öldruckgeber, Schmierstellen, Ölwanne
Der Kühlölkreislauf: Ölwanne, Pumpe, Zylinderkopf, Temperaturgeber, (Thermostat), Ölkühler, Ölwanne.
Im Kühlölkreislauf wird das Öl durch Kanäle im Bereich der Auslassventile gepumpt, nimmt dort Temperatur auf und gelangt erst danach zum Temperaturfühler. Somit zeigt dieser Fühler eher die maximal erreichte Öltemperatur als diejenige des „Lagervorlaufs“.
In der Ölwanne entsteht eine Mischtemperatur aus dem Rücklauf des Schmier- und des bereits wieder gekühlten Kühlöls. Die Mischung ist durchaus gewünscht und auch sinnvoll, weil dadurch die Aufwärmzeit des Motors verkürzt wird.
Unbekannt ist welche Temperatur das Öl hat wenn es die Schmierstellen erreicht. Hierzu wäre es notwendig die Temperatur z.B. parallel zum Öldruckgeber oder notfalls in der Ölwanne (nicht aber an deren gekühltem Boden) zu ermitteln.
Arbeitsbereich
Abhängig von den Lagerdimensionen, den Lagerspielen und dem Arbeitspunkt wird die notwendige Viskosität festgelegt. In der Regel wird bei luftgekühlten, grossvolumigen Zylindern eine eher höhere Viskosität benötigt als bei wassergekühlten Mehrzylindern.
Interessant (aber naheliegend) ist, dass die SAE-Viskosität von Einbereichsölen bei etwa 98°C, also eher beim oberen Ende des Arbeitsbereichs, bestimmt wird (siehe Ölviskosität ).
Maximaltemperatur
Entscheidend sind Temperatur und Viskosität in den Gleitlagern. Welche Temperatur das Öl ausserhalb der Lager hat ist zweitrangig und nur interessant für die Frage „ab welcher Maximaltemperatur kollabiert das Öl und verliert seine Eigenschaften?“. Gemäss der Literatur ist das erst bei mehr als 200°C. Pro 10°C verdoppelt sich die Alterungsrate
Als maximal gelten ca. Temperaturen sind:
Ölwanne 140°C
Kurbelwellenlager 180°C
Zylinderinnenwand 220°C
Kolbenringe 300°C >> Aschebildung! (Öl wird schwarz)
Minimaltemperatur
Unterhalb einer bestimmten Temperatur wird das Öl immer zähflüssiger und lässt sich nicht oder kaum noch pumpen. Nominell wird zwar ein hoher Öldruck erreicht, die Schmierung ist jedoch kaum gegeben.
Das Argument „Dünnes Öl für den Kaltstart“ ist zwar nicht falsch, doch auch hier eine Frage der Definition. Technisch ist alles unterhalb von etwa 60°C ein Kaltstart. Praktisch werden die meisten Motorräder bei Temperaturen unterhalb von 05°C gar nicht mehr bewegt. Nachdem ein 20W50 Öl laut BMW bis minus 10°C geeignet ist (Bild; aus Copyrightgründen nicht einfach kopiert), bei diesen Temperaturen aber ohnehin kaum jemand fährt, ist es in meinen Augen sinnlos „niedrigtemperaturgeeignete“ Öle zu verwenden.
Bei einem Kaltstart bei 15°C erwärmt sich das Öl ohnehin vergleichsweise sehr schnell. Das gilt zwar nicht für Fahrzeuge ohne Thermostat (bis `97), doch liegt es bei denen nicht an der Aussentemperatur oder am Öl, sondern an der permanent maximalen Kühlung.
Als Vergleich bei minus 22°C:
15W40 Honig bei sehr kühler Zimmertemperatur. Wenn man das Glas umdreht dauert es etwas bis das Fliessen beginnt
10W40 Honig bei sehr kühler Zimmertemperatur für mich optisch kein Unterschied
05W30 Honig bei Zimmertemperatur. Das Fliessen beginnt bereits beim Kippen das Glases
00W40 Honig bei Zimmertemperatur für mich optisch kein Unterschied
Zu den Stichworten „Aussentemperatur“ und „Langzeitverhalten von Ölen mit hoher Spreizung“ (z.B. 0W60) gibt’s Vermerke bei „Ölviskosität“.
Die Beiträge zum Ölkreislauf bauen teilweise aufeinander auf
Basisinfos sind bei 4V_Ölkreisläufe_Öldruck, detaillierte Beiträge gibt es zu Ölpumpe, Öldruckregler, Ölfilter (unterschieden nach Theorie und Technik), Öldruckschalter und den Lagern und Schmierstellen. Darüber hinaus gibt es Beiträge zu „Öl“ im Allgemeinen.
Links
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4V Ölverbrauch und Ölkontrolle
4V0_Öldruckregelventil
4V0_Ölkreislauf-Öldruck
4V1_Ölthermostat
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Ölkühler - Die Technik
Öltemperatur
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