Der Beitrag soll keine schnelle Anleitung sein wie man zwischen Tür und Angel "ein paar" PS findet, sondern darstellen, dass es relativ schwer ist Derartiges seriös zu erreichen. Es sind Grundlagen beim Bau von Verbrennungsmaschinen nach dem "Otto-Prinzip". Ein paar kleine Verweise beziehen sich auf die 4-V Qe
Die Leistung eines Verbrennungsmotors errechnet sich
Leistung= Konstante X mittlerer Arbeitsdruck x Hubraum x Drehzahl oder kurz:
N [kgm²/s³] = K [ ] x Vh [m³] x Pm [kg/ms²] x n [1/s]; [Einheiten];
(1PS = 735 kgm²/m³ auch "Watt“ genannt)
Davon lässt sich relativ leicht ableiten: Will man mehr Leistung, braucht man
mehr K (ist Unfug, weil das eine Konstante ist; wäre aber ein interessanter Ansatz :-) ) oder
mehr Hubraum (nie falsch; "nothing beats cubics than cubics") oder
höheren mittleren Arbeitsdruck (das ist nur in der Theorie ganz trivial) oder
mehr Drehzahl (oft locker dahingeschwätzt)
Zu "mehr Hubraum“ sag’ ich nix, weil mir das logisch vorkommt :-)
Höherer mittlerer Arbeitsdruck
Es wird interessanter. Was ist das überhaupt?
Einfach erklärt: Wird die vom Kolben im Ansaugtakt eingesaugte Gemischmenge im folgenden Verdichtungstakt komprimiert, steigt der Druck an. Im OT wird dieses komprimierte Gemisch gezündet. Es versucht schlagartig sich auszudehnen, der Druck steigt immens an. Der Kolben wird (Arbeitstakt) nach unten geschoben, der Druck sinkt ab bis der Kolben UT erreicht hat. Der Mittelwert dieses Druckverlaufs, betrachtet von OT bis UT des Arbeitstaktes ist der mittlere Arbeitsdruck (Integral über 180°KW).
Also gibt es zwei Einflussfaktoren:
Zum einen die Menge des zu verdichtenden Gemisches (also in etwa eine dem Hubraum entsprechende Menge) und zum anderen wie stark diese Menge komprimiert wird (Verdichtungsverhältnis).
Fangen wir mit dem Verdichtungsverhältnis an.
Es lässt sich relativ leicht erhöhen. Man braucht "lediglich" Kolben mit einem Dach (Zeichnung) verwenden. Stichwort "RS“ Kolben.
Anders ist das bei der Menge des Gemisches.
Der Kolben kann nun mal nicht mehr Volumen einsaugen als er Hubvolumen "hat“ (Siehe auch Ansaugrohre). Also lässt sich nur mit der Trägheit von Gas(-gemischen) etwas erreichen.
Einfach(er) zu begreifen ist der Fall, wenn der Kolben seinen UT erreicht. Eine ganze Zeit lang (ab OT) hat er eine Gassäule in den Zylinder gesogen. Auch wenn er im UT stehen bleiben würde, wäre diese Säule aufgrund ihrer Trägheit noch in Bewegung. Die hintersten Partikel würden diejenigen die schon im Hubraum sind etwas zusammenschieben und es strömt auch dann noch Gemisch ein, wenn sich der Kolben überhaupt nicht mehr bewegt! Das funktioniert in der Praxis sogar wenn der Kolben schon wieder auf dem Weg in Richtung OT ist (klappt auch morgens beim Linienbus. Der letzte Fahrgast der grad’ noch so durch die halb geschlossene Tür huscht schiebt einige Andere weiter in den vollen Bus :-) ).
Das Einströmen lässt sich erleichtern.
Verwendet man Ventile mit grösserem Durchmesser und/oder macht sie weiter auf (Ventilhub vergrössern), wird dem Gasstrom weniger Widerstand entgegengesetzt. Eventuell lassen sich die Ansaugkänäle erweitern oder ihre Oberflächen verbessern.
Die Nockenwelle beeinflusst wesentlich. Würde das Einlassventil erst zu öffnen beginnen wenn der Kolben exakt im OT ist, könnte zu Beginn des Ansaugvorgangs nur wenig Gas einströmen weil die “Eingangstür“ ja noch halb geschlossen ist. (Steuerzeiten überschneiden sich in der Praxis). Bei sehr geringem Ventilhub (kleiner Erhebungskurve der Nockenwelle) wird die Tür nie richtig offen sein.
Höhere Drehzahl
Lediglich mathematisch stimmt das; die Drehzahl lässt sich (eigentlich) nicht per Befehl anheben!
Es gibt meines Erachtens nur 2 Möglichkeiten:
1. Ein Motor würde eigentlich ohnehin höher drehen können, wird aber gewürgt indem seine Höchstdrehzahl (z.B. elektronisch) begrenzt wird. Bei der Leistung (!) geht’s nicht um die Drehzahlen die mit Showgasstössen an der Eisdiele erzeugt werden können, sondern darum, welche Drehzahl unter Last (!) erreicht wird!
1.1. Begrenzung der Drehzahl um den Eisdielen- oder "Bergabvollgastod“ zu vermeiden. Im Leerlauf könnte fast jeder Motor bis zum eigenen Tod drehen.
1.2. Begrenzung um in einer Leistungsklasse zu bleiben. Als Beispiel könnte da die unterschiedliche Programmierung der R1200GS dienen. Bei uns in DE 98, in AT 100PS
1.3. Klassisches mechanisches Beispiel: Leistung über einen Drosselklappenanschlag oder Lochscheiben im Ansaugtrakt begrenzen. Hier wird einfach verhindert, dass der maximale Durchlassquerschnitt freigegeben wird. "Unten“ ist nichts zu merken, oben wird der Motor abgeschnürt indem er am Atmen gehindert wird.
2. Der Motor dreht nicht höher weil sein Gaswechsel das nicht zulässt. Die Einlasskanäle sind (zu) eng, Ventile öffnen nicht beliebig weit und können auch nicht grösser sein als die Kolbenfläche. :-)
Also müssen hier Änderungen vorgenommen werden wie oben beschrieben.
Fast alle Ausführungen zum Einlass gelten in ähnlicher Form für die Auslassseite.
"Vor-Fazit":
Mal eben schnell mit einem Chip signifikant (!) mehr Leistung zu erhalten funktioniert nur dann, wenn der Motor ab Werk gedrosselt ist. Andere Leistungscharakteristiken sind (in begrenztem) Umfang möglich.
Ob das nur ein versicherungsrechtliches Problem ist, oder auch etwas mit Gewährleistung und Haltbarkeit zu tun hat sei dahingestellt.
Umbauten auf Zwangsbeatmung durch Turbo oder Ähnliches seien mal unbetrachtet. Den tatsächlich erheblichen Möglichkeiten zur Steigerung der Leistung bei Turbomotoren durch Chiptuning setzt z.B. BMW bei seinen Turbodieseln einiges entgegen. Nachdem hier eine "nicht geringe Zahl“ von "Garantieschäden“ angemeldet wird, werden inzwischen die maximalen Grenzwerte in der Elektronik beweiskräftig(!) hart gespeichert. Chip-Anwender die sich ihre kollabierten Motoren auf Garantie ersetzen lassen möchten (schnell wieder das Original rein) werden abgewiesen.
Klassisches Tuning und auch der Umbau auf einen anderen Motorentyp (RS Kolben etc. in der GS) kosten richtiges Geld!
Kleinliche Fragen müssen geklärt werden: Stossen vielleicht die (grösseren) Ventile aufgrund der anderen Steuerzeiten und dem höheren Hub mit den geänderten Kolben zusammen? (Falls alles aus dem BMW Baukasten ist, dann eher nicht), etc..
Massnahmen wie Pleuel polieren, auswiegen, feinwuchten der Kurbelwelle, härtere Ventilfedern, etc. bringen kaum ein Milliwatt Leistung! Sie sind aber u.U. notwendig, damit ein getunter Motor die höheren Belastungen überhaupt aushalten kann.
Wichtig für die Leistung ist, die Motorcharakteristik so hinzubekommen, dass das Produkt aus Drehmoment und Drehzahl möglichst gross ist. Das kann auch der Fall sein, wenn das Drehmomentmaximum bereits überschritten ist.
Das Resultat
Unser Boxer dreht bis 9000 U/min, alle beweglichen Bauteile sind optimiert, gigantische Ventile sind verbaut, Nockenwellen mit "geilen“ Steuerzeiten und gigantischem Hub eingesetzt, Ansaug- und Auslassseite sind bei dieser Drehzahl in Resonanz. Das Teil "geht wie die Angst“?
Ja, aber nur ab 6500 U/min!! Darunter ist es unfahrbar weil die Gasströme in den riesigen Löchern bei kleineren Drehzahlen nicht ordentlich strömen usw. Allerdings hat hier der Tuner zumindest sein Versprechen "mehr Leistung" gehalten.
Das haben viele GS-Fahrer die auf die Ansaugrohre der RT umgerüstet haben bereits bemerkt. Sie haben "oben" mehr Leistung, aber "untenrum“ fehlt’s.
Nochmal Fazit:
In meinen Augen gibt es einige Tunertypen:
Die Gaukler: Anbieter die mit "grossen Rohren", erweiterten "Schnorcheln" (daran liegt es garantiert nicht), Spezialluftfiltern, etc. für relativ kleines Geld grossen Erfolg versprechen und KFR mit Spezialkerzen beseitigen.
Die Einfachen, Ehrlichen: Es wird Leistung versprochen und das Versprechen wird gehalten. Ob man jemanden der einer GS die Nocken und Ansaugrohre der RS verpasst als Umbauer oder als Tuner tituliert sei dahingestellt. Jedenfalls gibt es messbare Mehrleistung. Vielleicht zu Lasten des Drehmoments bei mittleren Drehzahlen aber das war ja nicht gefragt.
Die Rennmotorentuner: Sie machen all das was möglich ist am Motor. Die Haltbarkeit ist nicht gerade oberstes Kriterium, Leistung geht vor. V. Rossi z.B. verzichtet allerdings zugunsten der Leistungsentwicklung über das Drehzahlband auf die maximale Leistung!
Die tatsächlichen Optimierer: Ein normaler Motor wird näher an seine Grenzen gebracht ohne ihn nennenswert mehr zu strapazieren. Wen interessiert schon, dass ein gut gewuchteter Motor mit gewichtsangeglichenen Komponenten, ausgeliterten Köpfen, optimaler Einstellung (sychr....) etc. länger hält? Er fährt sich angenehmer, braucht U.U. (in Zeiten der Einspritzer wenig) weniger Sprit und hat evtl. ein bisschen mehr Leistung. Als Basis für weitergehende "mechanische" Leistungssteigerungen ist er ideal.
Werden dann noch Zündzeitpunkt, Einspritzmenge, Abgasverhalten etc. am Prüfstand optimiert, dann ist das Ding besser als ein Werksmotor (wenngleich er nach dem Eigriff in die Motronik die ABE verloren hat!). Bei den Serienmotoren werden eben Komponenten (mit immer geringer werdenden Toleranzen) zusammengeschraubt und es "muss passen". Keiner hat Zeit jeden einzelnen Motor zu optimieren.
Leistung kostet, mit den angesprochenen Einschränkungen, Aufwand und somit Geld. "Fahrbare" Leistung ist noch teuerer.
Links
Leistung - Drehzahl - Drehmoment
Leistung und Zündzeitpunkt
Leistungssteigerung durch mehr Sprit?
Leistungssteigerung ganz einfach?
Leistungssteigerung mit Ansaugrohren
Gemisch fetter - mehr Leistung in der Praxis?